Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
378 Die technischen Wissenschaften. X. Buch. 
wichtigen Knotenpunkten. Bei der Unterteilung mittels ARebenstraßen sind rechtwinklige 
Ecken und geeignete Blocktiefen zu erstreben, in Wohnbezirken tunlichst so, daß Hinter- 
gebäude und lange Flügelbauten wegfallen. Um große Blöcke zu verwerten, werden 
eindringende Sackgassen, Wohnhöfe, gemeinschaftliche oder öffentliche Binnenräume an- 
geordnet. Zu großer Annehmlichkeit können abkürzende Fußwege dienen, namentlich 
auf stark geneigtem Gelände, unter Umständen mit Treppenanlagen oder Aufzügen, sowie 
Wirtschaftswege an der Rückseite einer Reihe von Grundstücken. 
Von sonstigen Punkten, welche der Städtebau während der letzten Jahrzehnte gereift 
hat, seien noch folgende angeführt, bei welchen gewisse Meinungsverschiedenheiten zu 
überwinden sind. Ob eine Straße gerade oder gekrümmt anzulegen sei, wird jetzt „nach 
Umständen“ beurteilt: gekrümmte Straßen gewähren Mbersichtlichkeit ihrer konkaven 
Seite, das Anschmiegen an hügeliges Gelände, einen ländlichen Eindruck; gerade Straßen 
können sich auszeichnen durch Stattlichkeit, den Ausblick auf Bauten oder Berge, eine 
bequeme Einteilung der Grundstücke. An freien Plätzen sind nach Sitte die Wände tun- 
lichst geschlossen zu halten, aber auch das Offenhalten bedeutsamer Seh- oder Verkehrs- 
linien erscheint nicht unberechtigt. Oft wurde mit Recht die malerische Erscheinung mittel- 
alterlicher Städte, der Reiz ihrer intimen Gassen und Winkel gepriesen, aber so gut auch 
viele Einzelheiten aus jenen Gebilden verwendbar bleiben, so fordern doch die Bedürfnisse 
raschen Verkehrs und kräftiger Luftbewegung stetige Straßenrichtungen und unsere 
ästhetischen Anschauungen überhaupt Klarheit des Plans statt gesuchter Unregelmäßigkeit. 
Die Rücksicht auf vorhandene Wege, Eigentumsgrenzen oder Uferlinien ist wünschenswert, 
aber nicht mehr so wichtig wie früher, weil das Verfahren der Umlegung leicht eine andere 
und eventuell zweckmäßigere Aufteilung des Geländes ermöglicht. Gebührende Beachtung 
fordert ferner die Denkmalpflege bei der Führung von Straßenlinien, besonders bei Durch- 
brüchen und Umleitungen im Innern, ebenso der Heimatschutz bei landschaftlichen An- 
ordnungen in der Umgebung einer Stadt. Indessen müssen doch auch anderweitige 
Interess en erwogen werden, und es darf füglich eine alte Baracke einer neuen zweckmäßi- 
gen Straße zum Opfer fallen. 
Erfreulich zugenommen hat das Streben, in einem Bebauungsplan Grünflächen 
zu erhalten und zu schaffen. Offentliche Grünflächen verschiedener Größe und Art nehmen 
von der Gemarkung deutscher Städte jetzt zwischen 10 und 33% ein. Bei neuen Entwürfen 
ist möglichst auf Dezentralisation zu sehen, deshalb längere durchziehende Promenaden-- 
streifen, bezirksweise verteilte Spielplätze und Erholungsstätten, Wald- und Wiesengürtel 
um große Städte. Auch gehört hierher die Verwertung eingehender Friedhöfe, die land- 
schaftliche Anlage neuer Friedhöfe, die Einbeziehung von Wasserläufen und Wasserflächen. 
Von alledem sind viele schöne Beispiele vorgekommen. 
Verkehrsmittel. Das städtische Straßenwesen ist zu einer technischen Wissenschaft 
geworden. Zuoerst soll die Breite jeder Straße, sowie ihre 
Querteilung in ein- oder mehrteilige Fahrwege, Fußwege, Grünstreifen, entsprechend 
der Bedeutung des Verkehrs gewählt werden. Im allgemeinen gibt man Haupt- und 
Geschäftsstraßen, in welchen der Berkehr künftig noch zunehmen kann, eine ansehnliche 
  
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