24 Baukunft. XlI. Buch.
aufgabe führen, die von dem umfangreichen und schwerfälligen Apparate der Staats-
verwaltung wohl am ehesten gestellt zu werden pflegt, die aber durch Kommissionen,
Kritiker traditionellster Färbung nur selten und mit großen Kämpfen zu einer der der-
zeitigen Gegenwart entsprechenden Lösung getrieben werden kann. So kam es auch, daß
die Tat Wallots, wenn sie auch im Lager der drängenden jungen Architektenschaft Beifall
fand, in Berlin zunächst einsam blieb und daß Wallot, nachdem seine Arbeit beendet war,
nach Dresden ging, um als Lehrer an der dortigen Akademie und an der Technischen
Hochschule zu wirken. Nur in kleineren Werken, in Privataufträgen, erbielt sich auch in
Berlin der von Wallot angeschlagene frische Ton. Vor allem Otto Rieth, Wallots
Schüler, der durch seine „Skizzen“, d. s. flott hingeworfene perspektivisch dargestellte
Idealarchitekturen, schnell bekannt wurde, betonte immer wieder den Wert der Wand
und des richtig verteilten Ornamentes gegenüber der gedankenlosen Behandlung des
üblichen A#r#chitekturapparates und zeigte auch in einer Villa am Tiergarten, wie große
Wirkungen mit der klaren Verwendung von Fläche und Ornament erreicht werden
können.
Die Säule, die Pilaster vor allem, das
aus Italien geholte Gesims mit den in
sich vorgeschriebenen Proportionierungen, wurden indes noch immer bis in die Mitte
der neunziger Jahre hinein an den Schulen und in den Ateliers gepflegt. Es ist richtig,
daß, besonders bei Lehrern wie Karl Weißbach in Dresden, Adolf Gnauth in Stutt-
gart, Josef Durm in Karlsruhe, das Auge auf wahrhaft peinliches Kritisieren der
Formen selbst eingestellt wurde — die Masse des Hauses aber, sein logischer Aufbau,
konnte leicht darüber vernachlässigt werden. In München hatten Albert Sch midt und
Heinrich von Schmidt in Bankbauten und Kirchen stilistisch-formale Hauptwerke ge-
schaffen, Friedrich von Thiersch, der Mitbewerber um den Preis des Reichstagshauses,
hatte im Justizpalast große Noten angeschlagen, — die Art dieser Werke waren aber
mehr oder minder gleichmäßig in allen größeren Städten Deutschlands zu finden.
Der Akademiesmus in Deutschland.
Erst Gabriel von Seidl schuf den Münchnern
eine ihnen eigentümliche Kunst. Bielleicht hat auch
Lenbach den Anstoß dazu gegeben. Die Lenbachsche Billa, in engem Anschluß an
die italienisch-rennaissancistischen Formen, zeigt deutlich, zu welcher Freiheit und
Fröhlichkeit im architektonischen Ausdruck das Schaffen aus dem großen Gesichts-
punkte des Malerischen führen kann — und als Seidl 1892 als Sieger in der Konkurrenz
um das baperische Nationalmuseum hervorging, war er gleichsam der Führer geworden
in der Münchener Baukvunst, soweit sie in rennaissancistisch-traditionellem Boden ihr
Werden erkannte. Hier gelang ihm eine lebendige Massenwirkung, eine Steigerung in
malerischen Effekten, ein Reichtum und eine Fröhlichkeit im Schmuck, und in bezug auf
die Lage eine Belebung und Charakterisierung des Stadtbildes, die München, die Kunst-
stadt, auch in architektonischer Beziehung ein Jahrzehnt zur Führerin in Deutschland
machen sollte. Im Stile der deutschen Renaissance und des deutschen Barocks wurden
Die Münchner Baukunst.
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