38 Das öffentliche Leben. XII. Buch.
Schule für die jungen Menschen selbst so etwas wie ein Staat im kleinen ist und durch
das Einleben des Schülers in seine Schule allerlei Tugenden und Anschauungen groß-
gezogen werden, die sich später unmittelbar auf den Staat übertragen lassen, das sei als
die Hauptsache hier wenigstens mit einem Wort erwähnt.
Allein die Schule reicht nicht aus, sie kann nicht alles
tun und machen. Haher ist eben jene freiwillige
Zugendpflege als Ergänzung notwendig, die früher vielfach einseitig konfessionell
gewesen ist und heute in das politische Fahrwasser zu geraten droht, statt daß man die
Zugend einfach und ohne alle gegensätzlichen Rebenabsichten ihr Vaterland und ihre
Heimat kennen lehrt und sie ihr lieb macht. Zu dieser Heimatkunde gehört freilich nicht
bloß das Kennenlernen von Gegend und Stadt, von Land und Leuten, sondern auch das
geistige Leben unseres Volks in seiner Geschichte und Literatur, in Kunst und kulturellen
Leistungen überhaupt; auch deswegen muß der körperlichen Ertüchtigung der deutschen
Zugend die geistige Weiterbildung als gleichberechtigt und gleich notwendig zur Seite
treten und für sie Zeit und Kraft gelassen werden.
In diesem Sinn wird die Zugendpflege durch die Volksbildungsarbeit einfach
fortgesetzt. Daß in dieser #rbeit viel öffentliches Leben steckt und dieses auf sie angewiesen
ist und allen Wert auf sie legen muß, ist Uar; auch die Arbeit der Presse gehört noch einmal
hierher. Volksbildung will vor allem aufklären; und wenn man das achtzehnte Jahr-
hundert geradezu darnach benannt und als Aufklärungszeitalter bezeichnet hat, so sieht
man schon daraus, wie wichtig für das ganze Leben und die ganze Beurteilung einer
Nation diese Arbeit und der Stand der Volksbildung ist. Wir waren dabei freilich, wie
schon gesagt, lange Zeit geneigt, zu intellektualistisch zu denken. Nach der Zahl der A[n-
alphabeten pflegt man das Bildungs- und Kulturniveau eines Volkes zu werten, und
gewiß ist es für die wirtschaftliche und die politische Selbständigkeit eines Volkes wertvoll,
daß alle lesen und schreiben können. Aber dabei dürfen wir den Schatz der Bildungs-
tradition, wie ihn z. B. das an Analphabeten reiche Ztalien vor uns voraus hat, und
mehr noch den überragenden Wert großer Einzelner nicht übersehen: was ein Mann
kann wert sein, haben wir in der Geschichte unseres Volkes oft genug erfahren. Allein auf
der andern Seite neigen wir heute schon wieder dem anderen Extrem zu, einer Unter-
schätzung des Intellektualismus, und wollen den sittlichen Wert, der in so einfachem Tun,
wie dem Lesen eines guten Buches und in der Willensanspannung der Aufmerksam-
keit auf seinen Inhalt steckt, und die geistbildende Kraft des Zwischen-den-Zeilen-lesens
(intellectus von inter-legere) nicht sehen.
Freiwillige Zugendpflege.
Ooch sucht sich die Volksbildungsarbeit von solchen Einseitigkeiten
freizumachen, sie beschränkt sich nicht mehr auf den Kopf allein,
wenn der Weg über ihn gleich immer der nächste und ihr am meisten zugängliche bleiben
wird. Sehen wir ab vom Religiösen mit seinem gefühlsmäßigen Ausgangspunkt, das
wir den Kirchen zuweisen und ihnen mehr oder weniger vertrauensvoll überlassen
können, so ist es auch die Kunst, für die wir das Volk gewinnen und zu deren
Kunst und Volk.
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