Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
158 Die Chemie. X. Buch. 
  
500% und 200 Atmosphären Druck, eine Entdeckung, die von großer technischer Bedeutung 
zu werden verspricht. 1889 erhielten Theodor Curtius und Jay das Hoydrazin-- oder 
Diamidhydrat als Zersetzungsprodukt des Diazoessigesters, später lehrten es Thiele 
aus Nitroguanidin, Duden aus Hezxamethylentetramin, v. Pechmann und Mauck 
aus diazomethandisulfosaurem Kalium darstellen. Aus anorganischen Substanzen ließ 
sich Hpdrazin ebenfalls gewinnen: durch Reduktion von Stickoxydkaliumsulfit, Nitramid 
und untersalpetriger Säure. Raschig fand 1907 eine technisch brauchbare Methode zur 
Hoydrazinbereitung in der Einwirkung von Bleichkalk auf Ammoniak, wobei sich das 
zunächst entstehende Chloramin mit Ammoniak zu Hydrazin umsetzt. 1895 lehrte Lobry 
de Bruyn in Amsterdam das wasserfreie Hydrazin bereiten. Die Einführung des Hy- 
drazins in die organische Chemie hauptsächlich durch Turtius und seine Schüler führte 
zur Entdeckung zahlreicher neuer Klassen von Hydrazinabkömmlingen. 1890 fand 
Turtius in dem Azoimid oder der Stickstoffwasserstoffsäure, dem Spaltungsprodukt 
von Benzopl- und Hippuropylazoimid ein höchst merkwürdiges Analogon der Halogenwasser- 
stoffsäuren. Später wurden Bildungsweisen des Azoimides aus anorganischen Sub- 
stanzen bekannt. So zeigten Curtius 1893, daß Stickstoffwasserstoffsäure aus Hydrazin 
mit salpetriger Säure entsteht, W. Wislicenus, daß sich Natriumamid bei 150—200°% 
mit Stickoxydul zu Natriumazid umsetzt, und der Russe Tanatar fand, daß Hydrazin 
und Chlorstickstoff aufeinander unter Bildung von Stickstoffwasserstoffsäure einwirken. Wie 
die Halogenwasserstoffsäuren gibt die Stickstoffwasserstoffsäure schwer lösliche Silber-, 
Blei- und Merkurosalze. Diese Salze sind wie die freie Säure sehr explosiv. 
Sticstoffsauerstoffverbindungen. uch auf dem Gebiet der Stickstoffsauer- 
stoffverbindungen sind zahlreiche neue Be- 
obachtungen zu verzeichnen, von denen nur wenige hervorgehoben werden können. Das 
reine Hydroxplamin lehrte Lobry de Bruyn in Amsterdam 1891 kennen, es schmilzt 
bei + 33° und siedet unter 22 mm Druck bei + 58°. Die Verfahren von Birkeland 
und Epyde, zwei norwegischen Forschern, und von Schönherr, Stickstofforxpd aus Luft 
durch elektrische Flammen darzustellen, werden in der technischen Chemie besprochen. 
Das mit der Untersalpetersäure isomere Nitramid fanden 1894 Thiele und Lachmann 
bei der Behandlung von Nitrourethan mit Kalilauge. 
Her elektrische Ofen. Schon Ende 1891 gelangte W. Borchers zu der Über- 
zeugung, daß sich durch Kohlenstoff bei genügend hoher 
Temperatur, wie sie elektrische Schmelz- und Reduktionsöfen hervorzubringen gestatten, 
alle Oxyde reduzieren lassen müssen. Einen sehr zweckmäßigen einfachen elektrischen 
Ofen führte Henri Moissan 1892 in die Wissenschaft ein. In der Hitze des elektrischen 
Flammenbogens schmelzen die feuerbeständigsten Oxpde, die meisten metallischen Ele- 
mente lassen sich verdampfen und mit Kohlenstoff zu Karbiden verbinden. Oie Karbide 
sollen nach den Metallen behandelt werden und den Ubergang zur organischen Chemie 
bilden. 
Künstliche Hiamanten. Moiss an gelang es auch, künstliche, allerdings sehr 
kleine, teils schwärzliche, teils farblose Diamanten dar- 
zustellen, indem er geschmolzenes, bei hoher Temperatur mit Kohlenstoff gesättigtes 
  
  
  
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