162 Die Chemie. X. Buch.
künstlich dargestellten Kohlenstoffverbindungen ganz außerordentlich rasch. Die Arbeit
der Chemiker in der organischen Chemie stellt in der Tat eine schöpferische Tätigkeit von
überwältigender Größe dar. Denn die Zahl der künstlich dargestellten Kohlenstoffver--
bindungen, von denen wir mit Gewißheit behaupten können, daß sie nie als Produkt der
Lebenstätigkeit der Pflanzen oder Tiere auftreten werden, also der wissenschaftlichen
Arbeit der Chemiker ausschließlich ihr Dasein verdanken, übertrifft die Zahl der in der
Natur vorkommenden bekannten Pflanzen- und Tierstoffe um das VBielhundertfache.
Zn den letzten 25 Jahren hat das System der Kohlenstoffverbindungen eine feste
Gliederung angenommen, die auf der Bindungsweise der Kohlenstoffatome beruht.
Man teilt sie demgemäß ein in drei große Gruppen: azyklische Substanzen oder Fett-
körper, karbozyklische und heterozyklische Kohlenstoffverbindungen. Unterabteilungen
bilden die gesättigten und ungesättigten Kohlenstoffverbindungen. Bei den azpyklischen
bilden die sauerstoffhaltigen Substanzen, die Alkohole und ihre Oxydationsprodukte, die
Grundlage für die weitere Einteilung. Die Zahl der Klassen der gesättigten #lkohole
und ihrer Oxndationsprodukte läßt sich nach R. Anschütz unter Anwendung der Summen-
formel für Kombinationen mit Wiederholung berechnen. An der Hand dieser Berech--
nungen kann man den Entwicklungsgrad dieser Gebiete bequem überblicken.
Nach diesen Vorbemerkungen behandeln wir zunächst Entdeckungen auf dem Gebiete
der Pflanzen- und Tierstoffe, sowie ihrer Umwandlungsprodukte.
Steinsl. Die Annahme, daß das Steinöl oder Petroleum tierischen Ursprungs
ist, hat eine experimentelle Stütze durch C. Engler erhalten, der 1893
fand, daß beim Erhitzen von Fischtran unter Druck dem amerikanischen Petroleum ähn-
liche Produkte entstehen. Von verschiedenen Seiten ist überdies gezeigt worden, daß eine
Reihe Steinölarten optisch aktiv sind.
Eduard Buchner fand 1897, daß der nach mechanischer Zer-
störung der Hefezellen gewonnene Preßsaft Kohlenhydrate in
Alkoholgärung zu setzen vermag. Ob in dem gärkräftigen Preßsaft als Ursache der Gärung
ein Enzym, die Zymase, oder lebendes Protoplasma anzusehen ist, bleibt noch zu ent-
scheiden. Feliz Ehrlich fand 1905, daß die Bildung der Fuselöle auf Spaltung von
Eiweißsubstanzen, die teils im rohen Zuckersaft vorkommen, teils aus der zugesetzten Hefe
stammen, zurückzuführen ist.
Eine neue Spnthese des Elpzerins lehrte 1897 Oskar
Piloty kennen, dem es gelang, L. Henrys Nitrotertiär--
butuylglpzerin in Glpzerin überzuführen. .
Blätteraldehyd. Theodor Curtius und Hartwig Franzen bewiesen 1912,
daß die von Z. Reinke 1881 im Destillat grüner Blätter ent-
deckte aldehndartige Substanz acz-Hexplenaldehud ist, der wahrscheinlich ein wichtiges
Zwischenprodukt für die Bildung der in Pflanzen vorkommenden Fettsäuren darstellt.
Kohlenhydratchemie. Eine mächtige Förderung der Chemie der mehrsäurigen
- Alkohole und ihrer Oxpdationsprodukte, zu denen Mannit,
Sorbit, Traubenzucker und Fruchtzucker gehören, verdankt man in erster Linie den
großzügigen Arbeiten von Emil Fischer, die mit der Einführung des Phenpylhydrazins
Alkoholgärung.
Glyzerinsynthese.
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