Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
168 Die Chemie. X. Buch. 
  
und Natriumpolysulfiden dargestellte und nach ihm benannte Vidalschwarz. Auf ähnliche 
Weise kam man zu einer großen Anzahl von Schwefelfarbstoffen, in denen wahrscheinlich 
Di- und Polpysulfide der Paradiazinreihe vorliegen. Wenigstens zeigten 1904 R. Gnehm 
und F. Kaufler, daß man aus dem Immedialreinblau einen Thiazinabkömmling er- 
halten kann. Paul Friedländer entdeckte 1905 im Thioindigo einen roten Küpen- 
farbstoff, in dem die Imidpyle des Indigos durch Schwefelatome ersetzt sind. Er bahnte 
damit der Gewinnung der sogenannten indigoiden Farbstoffe den Weg, die durch Kon- 
densation von Isatin sowie Thionaphtenchinon und deren Derivaten mit Substanzen, 
die eine reaktionsfähige Methylengruppe enthalten, entstehen. Wie die indigoiden Farb- 
stoffe sind das 1901 von R. Bohn aufgefundene Indanthren und Flavanthren Küpen- 
farbstoffe. Beide entstehen aus 6-Amidoanthrachinon durch Verschmelzen mit Kali bei 
verschiedenen Temperaturen; ihre Konstitution ermittelte Roland Scholl 1908—1911. 
Oas 1905 von R. Scholl und O. Ballp aufgefundene Benzanthron bildete in O. Ballps 
Händen das Ausgangematerial für die Gewinnung der dunkelblauen Küpenfarbstoffe, 
Violanthron und IZsoviolanthron, deren Konstitution 1912 von KR. Scholl mittels einer 
durchsichtigen Sonthese sichergestellt wurde. Ebenfalls zu der Klasse der Küpenfarbstoffe 
gehört das 1905 von R. Scholl entdeckte Ppranthron oder Indanthrengoldorange, dessen 
nahe Beziehung zu dem im Steinkohlenteer vorkommenden Pyren er 1912 durch eine 
von diesem Kohlenwasserstoff ausgehende Synthese erweisen konnte. 
Künstliche Arzneimittel. Wir wenden uns zu den künstlich dargestellten, in 
der Natur nicht vorkommenden Kohlenstoffverbin- 
dungen bestimmter phpsiologischer Wirkung. Hauptsächlich in den Teerfarbenfabriken 
dargestellt und zum Teil auch in den dort eingerichteten pharmakologischen Laboratorien 
untersucht, hat man an den künstlichen Arzneimitteln eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten 
zwischen Zusammensetzung und Wirkungsweise ermittelt. Man suchte bei vielen die 
Wirkung abzuschwächen oder zu erhöhen, schädliche Nebenwirkungen auszuschalten durch 
Einführung oder Entziehung bestimmter Radikale oder Umwandlung von Säuren in 
Salze oder Ester. Man hat so Heilmittel erhalten, die manche ähnlich wirkende Naturstoffe 
in ihrer Wirkung ersetzen, oder sie noch übertreffen. Viele der hier in Betracht kommenden 
Stoffe waren schon vor 1888 bekannt, aber ihre Heilwirkung wurde erst später ermittelt. 
Erwähnt seien die Antippyretika: Antipprin (1887 Knorr), Antifebrin oder A#zetanilid, 
Phenazetin oder Azetparaamidophenetol (1889 Hinsberg), Aspirin oder A#jzetylsalizyl- 
säure, die Schlafmittel: Sulfonal (1886 E. Baumann) und Veronal (1882 M. Conrad 
und M. Guthzeit), die Lokalanästhetika, Ersatz für Kokain: Eukain (1896 Merling) 
Novokain (Einhorn), Stovain (Fourneau). 
Vonhervorragenderchemotherapeutischer Bedeutung sind wegen ihrer Tropanosomen 
tötenden Wirkung bei der Bekämpfung von Schlafkrankheit, Malaria, Rückfallfieber, 
Frombösie und vor allem der Syphilis, arsenhaltige Arzneimittel geworden. Arrhenal 
ist das Dinatriumsalz der 1858 von A. Baeyer in Kekulés Heidelberger Privatlabora- 
torium entdeckten Methylarsinsäure. In dem 1865 von Béchamp in Kille dargestellten 
Itoxpl erkannten 1907 Paul Ehrlich und A. Bertheim das paraamidophenplarsin- 
saure Natrium. Beim Aufsuchen noch wirksamerer spirillozider Arzneimittel nach Ehr- 
  
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