172 Die Chemie. X. Buch.
des Benzols bis zu einem gewissen Grad verftandlich erscheinen lassen. Thieles Ausfuh-
rungen veranlaßten mit die Untersuchung achtgliedriger zyklischer Kohlenwasserstoffe
burch E. Willstãätter, bei der er im Zyllooktatetraen ein Azetylenhomologes des Benzols
auffand. Das überraschend verschiedene Verhalten des Zoklooktotetraens und des Ben-
zols oder Zoklohexatriens bei Additionsreaktionen zeigte aufs neue die Unzulänglichkeit
unserer Konstitutionsformeln. Wenn auch die Formel für Benzol, die Kekulé für die
wahrscheinlichste bielt, Schwierigkeiten für die Ableitung der Stellungsisomerien und manche
Abdditionsreaktionen bietet, sostehen doch die Benzolringbildungen und die zahlreichen Ben-
zolringspaltungen mit Kekulés Zoklohezatrienformel für Benzol im besten Einklang, und
stützen sie geradezu. Durch Oxyydation von Benzolderivaten haben Kekulé, Harries,
O. Doebner, R. Kempf, R. Anschütz und G. Rauff, Jaffé, Gustav Schultz und
O. Löw, durch gleichzeitige Oxydation und Chlorierung Th. Zincke, durch alkalische Reduk-
tion Einhorn, Vorländer, R. Willstätter Spaltungsprodukte gewonnen, deren Ent-
stehung auf Grund der Zoklohezxatrienformel zu deuten keine Schwierigkeit bietet. Be-
sonders hervorgehoben seien von diesen Spaltungsreaktionen die Umwandlung des Benzol-
triozonids durch Harries in Glpoxal, und die im Tierkörper nach Einführung von Benzol
durch Zaffé festgestellte Bildung von Mukonsäure. Im Verlauf seiner Bersuche, den
Benzolring nach Belastung mit Chloratomen zu sprengen, erhielt Zincke das Tetrachlor-
orthobenzochinon. Das Orthobenzochinon selbst lehrte K. Willstätter 1904 kennen.
Die Chemie der merkwürdigen und für die Farbstoffchemie wichtigen Klasse der Chinone
ist, wie im Anschluß an das Orthobenzochinon bemerkt werden mag, durch Untersuchungen
über Zweikernchinone, Methplenchinone, Thinole und verwandte Substanzen außer-
ordentlich erweitert worden. Außer den vorgenannten beiden Forschern haben sich noch
Auwers, Bamberger und Thiele um die Ausgestaltung dieses Gebietes verdient
gemacht.
Von den mehrkernigen Kohlenwasserstoffen und den heterozyklischen Kingsystemen,
die ganz ähnliche Probleme darbieten wie das Benzol, muß wegen Raummangel abge-
sehen werden, so viele experimentell schwierige und in den Ergebnissen wichtige und er-
folgreiche Untersuchungen von deutschen und ausländischen Chemikern auch über diese
Körperklassen vorliegen.
Entwicklung der theoretischen Die Theorie der organischen Chemie hat sich
großenteils an den Versuchen, die Isomerie-
erscheinungen zu erklären, weiter entwickelt.
Oie stereochemischen Vorstellungen sind seit Aufstellung der zur Erklärung der isomeren
optisch aktiven Kohlenstoffverbindungen bestimmten Theorie vom aspmmetrischen Kohlen-
stoffatom durch van't Hoff und Le Bel (1877) immer tiefer in die Wissenschaft einge-
drungen. So bemühte man sich erfolgreich, optisch-aktive Kohlenstoffperbindungen dar-
zustellen, bei denen die optische Aktivität auf die Aspmmetrie des Atomes eines anderen
Elementes als Kohlenstoff zurückzuführen ist. Zn den letzten Jahren sind optisch-aktive
Kohlenstoffverbindungen bekannt geworden mit aspmmetrischem Stickstoff durch den
Engländer W. J. Pope, durch Meisenheimer und durch Wedekind, mit aspymme-
organischen Chemie.
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