Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vor Aristoteles und Platon. 127 
einer äusseren Lebendigkeit des Wortes, und die Sprache leiht 
dem Glauben ihre kühnsten Ausdrücke, ihren schönsten Schwung. 
Es ist die Jugend einer solchen Wissenschaft; und welche Jugend 
wäre nicht blos durch ihre Jugendlichkeit erkennbar? Von 
allem dem sehen wir nichts bei Aristoteles. Er ist in seiner Po- 
litik wie in seinen übrigen Schriften ein Mann der Arbeit, und 
einer ganz bestimmten Arbeit, für die eine ungeheure, eine so 
seltene Kraft gehört, dass sie oft in Jahrhunderten nur einmal 
vorkommt. Er hat gleichsam das Bewusstsein, dass er das ganze 
Wissen, die ganze Summe von Erkenntnissen und Kenntnissen der 
griechischen Welt zu einem übersehbaren Ganzen zusammen- 
fassen, sie ordnen und wo es nöthig ist auch durch Kritik ver- 
ständlich machen soll. Aus seinem Haupte entspringt kein sich 
selbst fortspinnendes System; er sieht sich auf jedem Schritte 
um, ob auch wirkliche Zustände oder andere Schriftsteller vor- 
handen sind, welche bereits ihrerseits die Sache entscheiden, 
oder zur Erklärung etwas hinzubringen. Er spricht und schreibt 
daher in Abschnitten; er wiederholt sich selbst, weil er eben 
nicht erschafft, sondern von sich wiederholenden Erscheinungen 
spricht; er theilt ab mit Umsicht, und ich halte die Bemerkung 
eines Freundes für sehr richtig, dass Aristoteles bei den Werken 
die auf mehr positiver Basis ruhen, immer erst etwa in der 
Weise eines deutschen Gelehrten sich ein Heft von Excerpten 
angelegt habe, aus denen er dann seine Schrift herausgear- 
beitet. Es ist sehr wohl möglich, dass die Oekonomik gar nichts 
andres ist als ein solches Excerptenheft, das als Grundlage einer 
eigenen Arbeit dienen sollte, zu welcher Aristoteles nicht gelangt 
ist; mir wenigstens macht diese Arbeit ganz den Eindruck eben einer 
solchen Vorarbeit, die man etwa aus seinen nachgelassenen Schriften 
aufbewahrt und die dann einer seiner Schüler und Nachfolger ver- 
bessert und verarbeitet hat, wie das heut zu Tage z. B. mit 
den Vorlesungen Schleiermachers über den Staat, die Brandes 
herausgegeben, geschehen ist. Die Sammlung aller Verfassungen 
Griechenlands, die Aristoteles veranstaltet haben soll, ist gewiss 
nichts anderes gewesen, als eine solche Arbeit; in jedem Falle 
aber sieht man, dass ohne allen Zweifel bei seiner Politik eine 
sehr umfassende, wie wir sagen würden, gelehrie Arbeit zu
	        
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