Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

150 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
was wir die Geschichte der Literatur und Wissenschaft nennen ; 
und diese alte Bemerkung bestätigt Aristoteles aufs Neue. Will 
man aber sich aus vorliegenden Thatsachen von der behaup- 
teten Unzuverlässigkeit, oder Ungenauigkeit, oder Dürfligkeit 
der Aristotelischen Angaben überzeugen, so vergleiche man, was 
Aristoteles über Platons Staat (Sokrates) sagt. Wie niedrig ist 
seine Auffassung der grossarligen Idee Platons! Wie wenig 
trifft er den wahren Kern des Gedankens, aus dem diese gesell- 
schaftliche Republik entsprungen! Wie weit sind seine kritischen 
Bemerkungen davon entfernt, den eigentlichen Hauptpunkt zu 
treffen, auf dem Platons Ideen die Wahrheit nicht erreichen, oder 
wenn man will über sie hinwegfliegen! Und sollten wir aus 
diesen Angaben uns ein Bild vom Platonischen Staate machen, 
würden wir da wohl je dazu gekommen sein, dieses Bild als 
den Vater aller socialen Republiken anzusehen ? In der That, 
wenn das Verhältniss zwischen dem, was Aristoteles über die 
verloren gegangenen Schriften sagt, und dem, was sie wirklich 
enthalten haben, dasselbe ist wie zwischen seiner Angabe über 
Platon und dem Inhalt der Platonischen Arbeit selbst, so haben 
wir in den Vorgängern des Aristoteles eine reiche und blühende 
Literatur verloren. Und fast scheint es, als sei dem so ge- 
wesen. 
So viel nun von unsrer Quelle im Allgemeinen. Wir wollen 
jeizt die Trümmer dieser untergegangenen Wissenschaft, so weit 
möglich, zusammenzustellen versuchen. 
II. 
Mit Recht wohl nimmt die Frage nach der Staatsverfassung 
im Allgemeinen den ersten Platz in dieser Untersuchung ein. 
Wir stellen daher zusammen, was in dieser Beziehung gefun- 
den wird. 
Es ist eine sehr gewöhnliche Meinung, dass wenigstens die 
Grundgedanken des Platon und Aristoteles über die Staatsver- 
fassungen und die gesellschaftllichen Ordnungen diesen eigen- 
thümlich seien. Und zwar in der Weise, dass Platons Grundidee, 
die Aufhebung aller gesellschafllichen Selbstständigkeit in der 
allgemeinen, durch die Erziehung begründeten strengen Gesell-
	        
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