Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

272 Arbeiterverhältnisse 
krankten Handwerksgesellen gegen bestimmte Beiträge die Aufnahme in öffent- 
liche Krankenhäuser zu sichern. Am grössten ist noch das Maass der 
Unterstützung bei der Reichenberger Tuchmacherzunft, die aber auch die 
bedeutendste und reichste Zunft des Kammerbezirkes ist und an 1300 Meister 
zählt. Abgesehen von der unentgeltlichen Krankenpflege für die Gesellen 
vertheilt die Zunft monatlich bestimmte Beträge an dürftige Meister und 
Wittwen und ebenso vierteljährig an die 10 ältesten Meister; überdiess be- 
sitzt sie einen eigenen Fond von 2600 fl., zu dem sie jährlich 6 Prozent 
hinzulegt, um ihn auf den Betrag von 5000 fl. zu erhöhen und mittelst dessen 
ein Versorgungshaus für arme Meister und deren Wittwen zu gründen. Noch 
ist zu bemerken, dass sich in neuester Zeit ein förmlicher Handwerker- 
Unterstützungs-Verein in Steinschönau constituirt hat. Die übrigen Arbeiter, 
die zu keiner der angeführten Klassen gehören und den stärkeren Bruchtheil 
des Arbeiterstandes ausmachen, als: die landwirthschaftlichen und von un- 
zünftiger häuslicher Industrie lebenden sind in Nothfällen lediglich an die 
allgemeinen Wohlthätigkeitsanstalten, nämlich an die Lokalarmeninstitute, 
Pfründler-, Armen- und Krankenhäuser gewiesen. Die Reihe der Unter- 
stützungsanstalten für die arbeitende Klasse beschliesst der für diese zwar 
nicht ausschliessend bestimmte aber ihr hauptsächlich zu Statten kommende 
Sparverein, der in Reichenberg 1849 gegründet wurde und den Zweck hat, 
den minder Bemittelten gegen kleine Wochenzahlungen in der wärmeren 
Jahreszeit den Winterbedarf an Holz und Viktualien durch Einkauf im Grossen 
auf die möglichst billige Art zu verschaffen. 
Es würde zu weit führen, an die dankenswerthen Mittheilungen des 
Berichtes Betrachtungen anzuknüpfen. Diess zu thun, mag dem denkenden 
Leser überlassen bleiben. Wir hatten bei diesem Aufsatze nichts anderes 
im Sinne, als durch Vorführung eines nur. Wenigen zugänglichen statisti- 
schen Materials — der Bericht ist nur als Manuscript gedruckt — einen 
kleinen Beitrag zur volkswirthschaftliehen Statistik unseres deutschen Ge- 
sammtvaterlandes zu liefern. Nur zwei Bemerkungen mögen hier:noch Raum 
finden. ‘ “ 
Die erste bezieht sich auf den Zeitpunkt der Erhebung der in Rede stehen- 
den statistischen Thatsachen. Sollen statistische Daten volkswirthschaftlichen 
Inhaltes, eine verlässliche Grundlage zu weiteren Schlussfolgerungen und 
praktischen Maassnahmen abgeben, so müssen sie in einer Zeit politischer 
Ruhe und ungestörter normaler auf bereits gebahnten Wegen sich bewe- 
gender wirthschaftlicher Entwicklung gesammelt sein. Diess lässt sich nun 
von der Zeit, in der die vorliegende Enqu£te statt fand, nicht sagen. Noch 
sind die Spuren sichtbar, welche die grossen politischen Bewegungen der 
Jahre 1848 und 49 in allen Lebensverhältnissen , zumal in den wirthschaft- 
lichen, die der Kitt für alle übrigen sind, zurückgelassen. Insbesondere gab 
die österreichische Industrie seit 1849 in einigen Zweigen das Bild einer 
unnatürlichen fieberischen Erregung, in andern wieder jenes einer nicht 
minder krankhaften Abspannung, wovon der Grund, abgesehen von den
	        
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