Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht. 399 
klassen die unbedingte Pflicht der höheren Stände umschliesst, 
selbst Sittenstrenge zu beobachten. Nach jenem einschmei- 
chelnden Grundsatz Hano veniam damus petimusque vicissim 
zieht man es vor, die Beherrschung sinnlicher Triebe für eine 
übermenschliche Aufgabe zu erklären, und weiss die Abneigung, 
sich selbst einer schweren Pflicht zu unterziehen, in Wohlwollen 
gegen die Arbeiter einzukleiden. Man dürfe demselben seinen 
einzigen Genuss, die leichte. Begründung eines .Hausstandes, 
nicht verkümmern | 
Bis wohin diese Schwäche sich verirrt, und wie weit sie 
unsere ganze Gesellschaft bereits ergriffen hat, dafür gibt den 
klarsten und traurigsten Beweis, dass der Staat es kaum wagt, 
die Häuser der Unzucht zu schliessen, dass er Vorkehrungen 
treffen zu müssen und zu können glaubt, um die gerechte Strafe 
thierischer Sinnlichkeit zu verhüten. 
Hat doch die Afterwissenschaft unsere Zeit durch Vorschläge 
befleckt, um die Befriedigung sinnlicher Triebe ausserhalb der 
Grenzen ihrer Statthaftigkeit möglich zu machen. 
Das sind unzweifelhafte Beweise, worin die Hauptwurzel 
der Uebel liegt, an denen wir kranken; mit welcher Losung 
allein wir den Dämon beschwören können, der unser Haus zu 
verwüsten droht. Sie heisst Entsagung, Beherrschung der Sinn- 
lichkeit. Offen und mit Nachdruck muss sie ausgesprochen 
werden. 
Das andere ist, dass die höheren Stände sich die verderb- 
lichen Folgen der Schwäche der unteren Classen zum Theil wohl 
gefallen lassen. Eine Erhöhung des Lohnes der männlichen Ar- 
beiter ist man weit entfernt als das wünschenswerthe Ziel zu 
betrachten, geschweige denn zu erstreben. Im Gegentheil, 
man wünscht und sucht die noch wohlfeileren Dienste der Frauen 
und Kinder, und gewöhnt sich diese als unentbehrlich, daher 
die Folgen davon als unvermeidliche und im Grunde duch nicht 
so erhebliche Uebel zu betrachten. 
Daher gilt es vor allen Dingen, das Ziel als solches mit 
Klarheit hervorzuheben, und die zur Verbesserung des Zustandes 
der arbeitenden Klassen zu ergreifenden Mittel hiernach zu wählen. 
Die Besorgniss, dass jede Beschränkung der persönlichen 
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