Einleitung. $ 1. 9 Der Unterschied zwischen Staaten und Kommunalverbänden liegt vielmehr darin, daß die Herrschaft des Staates über die Kommunalverbände eine rechtlich unbeschränkte, die des Bundes über die Staaten dagegen eine rechtlich beschränkte ist, daß letztere eine zweifache Selbständigkeit besitzen, welche den Kommunalverbänden abgeht, nämlich: a) die Befugnis, gewisse politische Aufgaben selb- ständig, d. h. nach eigenen Gesetzen zu erfüllen; b) die Befugnis, ihre eigene Organisation selbständig, d. h. durch eigene Gesetze zu regeln ?®®, 2° Die Ansicht Jellineks über den Unterschied von Staaten und Kom- munalverbänden befindet sich mit der hier vertretenen in wesentlicher Übereinstimmung. Schon die in Staatenverbindungen 40 aufgestellte Be- hauptung, daß als „Staat“ jedes politische Gebilde bezeichnet werden könne, welches aus eigenem Recht bindende Normen zu erlassen berechtigt sei, sowie die Ausführungen in: Gesetz und Verordnung 201, nach welchen das charakteristische Merkmal der Staaten in der Befugnis, aus eigener Macht bindende Normen für die Untertanen aufzustellen und in der selbständigen Orgenisationsgewalt besteht, wiesen vielfache Berührungspunkte mit der von G. Meyer vertretenen Meinung auf. Nach der Formulierung aber, welche Jellinek seiner Theorie in der Heidelverger Festgabe Über Staatsfragmente (1896) 265 ff. gegeben hat, kann eine fast vollständige Übereinstimmung beider Ansichten konstatiert werden. Diese Übereinstimmung erkennt Jellinek — Staatsl. 489 Anm. 1 — seinerseits an. — Eine Darstellung und Kritik der Theorien über den Unterschied zwischen Staat und Gemeinde gibt Rosenberg, Arch.Öftentl.R. 14 328 ff., dessen eigene Ansicht mit der oben im Test und von Jellinek vertretenen Meinung im wesentlichen übereinstimmt, ohne daß dies gebührend hervorgelioben wird. Haenel (St.R. 1 800, macht gegen die von G. Meyer angenommene Uhnter- scheidung geltend, die Grenzen der Autonomie der Selbstverwaltungskörper seien im positiven Rechte des Einheitsstaates relative und könnten zu einer Weite ausgedeht werden, welche die von G. Meyer angenommenen Merk- male des Staates in sich schließe. An einer späteren Stelle (a. a. O. 801) behauptet er aber, die deutschen Einzelstaaten unterschieden sich von den Selbstverwaltungskörpern dadurch, daß sie in der Erfüllung der ihnen nach ihrer Verfassung gesetzten Aufgaben „frei von allen gesetzlichen Direktiven, frei von allen Rechten der Kontrolle und des Zwanges“ seitens des Reiches seien. Dies entspricht durchaus dem von G. Meyer unter anderem „uf- geführten Merkmal, denn die selbständige Erfüllung politischer Aufgaben durch die Einzelstaaten schließt nicht nur gesetzliche Direktiven, sondern auch Kontrolle und Zwang seitens der Bundesgewalt aus. Im übrigen treffen seine Ausführungen mit denen von Gierke, SchmollersJ. 7 1166 zusammen, der gegen die von G. Meyer angenommene Unterscheidung bemerkt: eine derartige Selbständigkeit stehe einerseits auch der mit Autonomie und kon- stitutiver Gewalt begabten Landschaft oder Stadt zu, anderseits könne sie auch für die Gliedstaaten — wie in der Schweiz und in der Union durch die Vorschrift republikanischer Verfassungen — mehr oder weniger be- schränkt sein. Diese Einwendungen sind nicht zutreffend. In ersterer Beziehung hat Gierke, wie nach dem Zitat aus Jellinek (a. a. O. 502 N. 2) an- zunehmen ist, namentlich einzelne englische Kolonien, z. B. Kanada im Auge, welche allerdings die größte Selbständigkeit besitzen, die Gliedern eines Staates überhaupt zusteht. Aber gerade bei diesen ist die hier als Merkmal der Staaten angenommene Selbständigkeit nicht vorhanden. Denn ihre Verfassung beruht nicht auf eigenen Gesetzen, sondern auf englischen Staatsgesetzen, und die koloniale Gesetzgebung wird zwar unter maß-