8 3. Gründung und Verfassung des Deutschen Bundes. 9 Die Bundesversammlung beschloß theils im Plenum, theils im engeren Nathe. Im Plenum hatten je 4 Stimmen: Oesterreich, Preußen, Sachsen, Bayern, Hannover und Württemberg, je 3: das Großherzogthum Baden, das Kurfürsten- thum Hessen, das Großherzogthum Hessen, Holstein und Luxemburg, je 2: Braun- schweig, Mecklenburg-Schwerin und Nassau, alle übrigen Staaten je 1 Stimme. Die Verschiedenheit in der Stimmenzahl ist gemäß Artikel 6 der Bundesacte „mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Größe der einzelnen Bundesmitglieder ver- abredet worden“. Bei Auflösung des Deutschen Bundes bestanden im Plenum 64 Stimmen. Die Mitgliederzahl betrug 38. Der engere Rath zählte 17 Stimmen: 11 sog. Virilstimmen und 6 sog. Kuriatstimmen. Virilstimmen, d. h. je 1 Stimme, hatten: 1. Oesterreich, 2. Preußen, 3. Bayern, 4. Sachsen, 5. Hannover, 6. Württemberg, 7. Baden, 8. Kurfürsten- thum Hessen, 9. Großherzogthum Hessen, 10. Holstein mit Lauenburg, 11. Luxem- burg; die sächfisch-ernestinischen Lande hatten zusammen die 12., Braunschweig und Nassau die 18., beide Mecklenburg die 14., Oldenburg, die anhaltinischen Herzogthümer und Schwarzburg die 15., Hohenzollern, Liechtenstein, beide Reuß, beide Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg die 16. und die Freien Städte die 17. (Kuriat-) Stimme 1. Beschlüsse über 1. Annahme neuer Grundgesetze oder Aenderung der bestehen- den, 2. organische Bundeseinrichtungen, 3. gemeinnützige Anordnungen, 4. Auf- nahme neuer Mitglieder in den Deutschen Bund, 5. jura singulorum und 6. Religionsangelegenheiten mußten im Plenum, und zwar mit Einstimmig- keitf, gefaßt werden. Sonst entschied, und zwar mit Zweidrittelmehrheit, das Plenum, was eigentlich nur noch bei Kriegserklärungen und Friedensschlüssen der Fall war. In der Regel, nämlich in allen Fällen, wo bereits feststehende allgemeine Grundsätze in Anwendung oder beschlossene Gesetze und Einrichtungen zur Aus- führung zu bringen waren, überhaupt bei allen Berathungsgegenständen, welche die Bundesacte oder spätere Beschlüsse nicht davon ausgenommen hatten, faßte die Bundesversammlung die erforderlichen Beschlüsse im „Engeren Rathe“. In diesem entschied (mit Stichentscheid des Präsidiums bei Stimmengleichheit) stets die ein- sache Mehrheit. Wohl der folgenschwerste Beschluß, welchen die Bundesversammlung getroffen hat, der Beschluß, der die nicht österreichischen und preußischen Bundes- armeecorps gegen Preußen mobil erklärte, wurde durch einfache (nicht einmal un- bestrittene) Mehrheit im engeren Rathe am 14. Juni 1866 gefaßt. Die zur Erfüllung der Bundeszwecke und zur Besorgung der Angelegenheiten des Bundes erforderlichen Geldmittel waren von der Gesammtheit der Bundesmitglieder zu tragen und in der von der Bundesversammlung bestimmten Weise zu leisten. Die Versammlung hatte „das matrikularmäßige Verhältniß“ gemäß Artikel 52 der Wiener Schlußacte festzusetzen. Der Bund war eine in politischer Hinsicht verbundene Gesammtmacht des europäischen Staatensystems und vertrat als Ganzes die deutsche Nation nach außen?. Er hatte und übte aus alle Rechte, welche das Völkerrecht den freien und unabhängigen Staaten im Verhältniß zu anderen Staaten zugesteht. „Der Bund hat als Gesammtmacht das Recht, Krieg, Frieden, Bünd- nisse und andere Verträge zu beschließen 2.“" Er besaß das active und passive Gesandtenrecht. Der Bund hatte keine un- mittelbar von ihm aufgestellte und besoldete Kriegsmacht, sondern das Bundesheer wurde durch die von den einzelnen Bundesstaaten nach der sogenannten Bundes- matrikel zu stellenden Contingente gebildet. Das gewöhnliche Contingent sollte den hundertsten Theil der bundesmatrikularmäßigen Bevölkerung betragen"“. Das Bundesheer zerfiel in zehn Armeecorps: 1.—3. österreichisch, 4.—6. preußisch, 7. bayerisch, 8. von Württemberg, Baden und Großherzogthum Hessen, 9. von 1 Bundezacte, Art. IV. Ueber die Stimmen * Wiener S loert Art. 2. führung bei den Kuriatstimmen, die heute ohne § Wiener Schlußacte, Art. 35. actuelles Interesse ist, s. u. A. G. Meer 4 Bundeskriegsverfassung vom Jahre 1821; S. 102. Zachariä, II, S. 817.