Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches. § 11. Reichsangehörigkeit. Die Staatsgewalt ist souverän. Sie ist daher berechtigt, soweit nicht völker- rechtliche Beschränkungen bestehen, worüber sie will, zwingende Anordnungen zu erlassen. Grundsätzlich binden ihre Anordnungen alle im Staatsgebiete sich auf- haltenden Personen, Inländer wie Ausländer. Das bürgerliche wie das Strafrecht gelten, soweit nicht Ausnahmen getroffen sind, in gleicher Weise für Inländer wie für Ausländer. Es giebt indeß Pflichten und Rechte, welche die Staatsgewalt nur den Staatsangehörigen, nicht Fremden geben will. So legt sie die Verpflichtung zum Kriegsdienste nicht den Ausländern auf, sondern verlangt sie nur von ihren Staatsangehörigen. Gewisse Rechte und Pflichten, z. B. das Amt als Geschworener oder Schöffe auszuüben, die Annahme der Wahl zum Gemeindevertreter, die Theilnahme an Staats= und Communalwahlen u. A., haben ebenfalls nur die Staatsangehörigen. Auch die sog. Grundrechte, z. B. das Recht der Petition, das Vereins= und Ver- sammlungsrecht, räumt sie Ausländern nicht ein. Diese haben auch, soweit be- sondere Staatsverträge nicht entgegenstehen, nicht das Recht, sich im Staatsgebiete aufzuhalten. Der Inbegriff der Rechte und Pflichten, welche mit der Staatsangehörig- keit verbunden sind, wird als Staatsbürgerrecht bezeichnet. Die Reichsverfassung und die Reichsgesetze räumen nun den Angehörigen eines Bundesstaates gewisse Rechte auch in allen übrigen Bundesstaaten ein: das Recht, in jedem anderen Bundesstaate unter den gleichen Bedingungen wie ein Einheimischer sich aufzuhalten, Grundeigenthum zu erwerben, Gewerbe aller Art zu betreiben, seiner Militärpflicht zu genügen, Processe ohne besondere Sicherheitsleistung zu führen, die Aufnahme als Angehöriger eines anderen Bundesstaates unter gewissen Bedingungen zu erlangen u. A. m. Der Inbegriff der Rechte und Pflichten, welche die Reichsgesetzgebung dem Angehörigen eines Bundesstaates in jedem Bundesstaate giebt, lassen sich als Rechte aus der Reichsangehörigkeit oder als Reichsbürgerrecht bezeichnen. Die Rechte aus der Reichsangehörigkeit umfassen „bürgerliche“ Rechte und „staatsbürgerliche Rechte". Erstere sind reine Privatrechte, solche Rechte, welche, wie das Eigenthum, Forderungen u. s. w., einem Staatsbürger gegen den anderen zustehen und welche der Staat nicht schafft, sondern nur schützt (val. auch Zachariä, I, S. 443). Letztere sind Befugnisse, welche der Einzelne vom Staate empfängt, oder öffentliche Rechte, welche der Staat durch Beschränkung seiner Gewalt seinen Bürgern gewährt. Man theilt die staatsbürgerlichen Rechte ein in die politischen Rechte (das active und passive Wahlrecht zu Staats= und Communalwahlen, die allgemeine Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter und