60 Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches. Aushändigung (§ 10 des Gesetzes und v. Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 144). Da der Naturalisirte alle Pflichten eines Reichsangehörigen erhält, so wird er auch nach Maßgabe seines Lebensalters wehrpflichtig (§ 19 der Wehr- ordnung vom 22. November 1888, Centralbl. f. d. D. Reich, S. 1 ff.). Die Verleihung der Staatsangehörigkeit — in welcher Form fie auch ge- schieht — erstreckt sich, sofern nicht in der sie aussprechenden Urkunde eine Aus- nahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen minderjährigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Aufgenommenen oder Naturalifirten kraft elterlicher Gewalt zusteht. Ausgenommen find Döchter, die verheirathet oder ver- heiratet gewesen sind (s. Art. 41, 1 des Einführungsges. zum Bürgerl. Gesetzb.). Für Nichtdeutsche ist für die Frage, ob die Kinder minderjährig find, das Recht des Heimathsstaates entscheidend. Am Schlusse ist wiederholt zu betonen (§ 2 des Gesetzes), daß durch den Wohnsitz — abgesehen von dem Falle, daß ein Ausländer im Reichsdienste an- gestellt wird und seinen Wohnsitz im Inlande nimmt — für sich allein die Staats- angehörigkeit nicht begründet wird. 8 14. Verlust der Staats= und Reichsangehörigkeit. Die Angehörigkeit zu einem deutschen Bundesstaate geht zunächst nicht ver- loren durch Erwerb einer anderen deutschen Staatsangehörigkeit. Das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 regelt erschöpfend die auf Erwerbs= und Staatsangehörigkeit bezüglichen Fragen und zählt in § 13 erschöpfend die Fälle auf, in denen die Staats- angehörigkeit verloren gehen soll. („Die Staatsangehörigkeit geht fortan nur ver- loren.") Dabei ist der Erwerb einer anderen deutschen Staatsangehörigkeit nicht mit ausgeführt. Uebrigens ergiebt sich aus § 7 des Gesetzes, daß, um die Auf- nahme in einen anderen deutschen Staatsverband zu verlangen, die Aufgabe des bisherigen Staatsverbandes nicht nöthig ist. Auch durch die Erwerbung einer fremdländischen Staatsangehörigkeit wird die deutsche Staatsangehörigkeit nicht aufgehoben; s. auch Erk. des Reichsgerichts vom 22. März 1892, Entsch. in Strafsachen, Bd. XXIII, S. 17 ff. Doch ist der Er- werb einer fremden Staatsangehörigkeit nicht ohne Einfluß auf den Verlust der Reichsangehörigkeit, wenn dazu ein längerer, wenigstens fünfjähriger Aufenthalt getreten ist (§ 21, Abs. 3 des Gesetzes und weiter unten). Auf der anderen Seite hindert das Fortbestehen eines deutschen Indigenats nicht den Erwerb einer anderen deutschen Staatsangehörigkeit. Die Aufgabe der außerdeutschen Staatsangehörigkeit ist auch durch das Gesetz vom 1. Juni 1870 nicht als Voraussetzung für die Erwerbung der Reichsangehörigkeit hingestellt. Doch steht nichts im Wege, daß Staatsverträge oder die Landesregierungen — was in vielen Fällen geschehen ist — die Ertheilung der Naturalisationsurkunde nur zulassen, wenn zuvor die fremdländische Staatsangehörigkeit aufgegeben ist. Die Angehörigkeit zu einem deutschen Bundesstaate geht auch nicht verloren durch noch so langen Aufenthalt in einem anderen deutschen Bundes- staate oder in einem deutschen Schutzgebiete, welche letztere nach der Vorschrift in § 6 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz- gebiete in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. März 1888 (R.-G.-Bl. 1888, S. 71) im Sinne des § 21 des Gesetzes vom 21. Juni 1870 als Inland gelten. Die Staatsangehörigkeit geht verloren erstens durch Entlassung auf Antrag. Der Antragsteller muß verfügungsfähig sein. Ist er es nicht, so ist die Zu- stimmung seines gesetzlichen Vertreters erforderlich. Bei Bevormundeten ist noch die Zustimmung der zuständigen Vormundschafts= oder Waisenbehörde nothwendig (preußische Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875, G.-S. 1875, S. 4381, § 42, Nr. 1). Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch stellt in Artikel 41 als § 14 a des Gesetzes vom 1. Juni 1870 folgende Vorschriften ein: