68 Zweites Buch. Angehlrige und Gebiet des Deutschen Reiches. daß ein außerhalb des britischen Gebietes von einer Britin unehelich geborenes Kind nicht die Eigenschaft eines britischen Unterthanen besitzt (Cahn, S. 83). Der fünfte und letzte Grund des Verlustes der Staatsangehörigkeit tritt ein (§ 13, Ziff. 5) „bei einer Deutschen durch Verheirathung mit dem Angehbrigen eines anderen Bundesstaates oder mit einem Ausländer.“ Es besteht also nicht die Nothwendigkeit, andererseits aber kein Hinderniß, Deutschen, welche einen Aus- länder heirathen, die Entlassungsurkunde zu ertheilen (vgl. Erl. d. preuß. Ministers des Innern vom 28. Februar 1843, Minist.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 1843, S. 224, und Cahn, S. 123 f.). Zum Schlusse muß noch die Frage beantwortet werden, ob die Vorschriften des Gesetzes vom 1. Juni 1870 auch auf die deutschen Standebherren An- wendung finden, denen in Artikel XIV, Ziff. 1 der deutschen Bundesacte vom 8. Juni 1815 die unbeschränkte Freiheit des Aufenthalts in jedem zum Deutschen Bunde gehörigen Staate gewährleistet war. Bereits oben S. 32 ist dargelegt worden, daß das Recht des Deutschen Bundes ein Vertragsrecht nur zwischen den Bundesmitgliedern, nicht aber unmittelbares Recht für deren Unterthanen, auch nicht für die vormals Reichsunmittelbaren gewesen ist, und daß die den vormals Reichsunmittelbaren in der Bundesverfassung und in den Landesgesetzen ein- geräumten Rechte nach Auflösung des Deutschen Bundes durch Landesgesetz wieder aufgehoben werden können. Daraus folgt, daß die Reichsgesetzgebung ihrerseits an diese Rechte nicht gebunden und zu ihrer Aufhebung nicht befugt war. Da nun das Gesetz vom 1. Juni 1870 einerseits die Materie des Indigenats erschöpfend regeln wollte und andererseits keine Ausnahme zu Gunsten der vormals Reichs- unmittelbaren gemacht hat, so muß die uneingeschränkte Geltung dieses Gesetzes auch für die vormals Reichsunmittelbaren gelten (ebenso Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 159, 160, Cahn, S. 154 f.). Es kann dies um so unbedenk- licher angenommen werden, weil schon das dem Gesetz vom 1. Juni 1870 als Vor- bild dienende preußische Indigenatsgesetz vom 81. December 1842 nach preußischer Gerichts= und Verwaltungspraxis auch auf die Standesherren zur Anwendung ge- bracht worden war (Erk. des preuß. Ober-Tribunals vom 14. Juli 1862 in Oppen- hoff's Rechtsprechung des Ober-Tribunals in Strafsachen, Bd. V., S. 75 ff.). § 15. Gebiet des Deutschen Reiches. Zum Begriffe des Staates gehört ein Gebiet, d. h. ein räumlich begrenzter Theil der Erdoberfläche. Da die Staatsgewalt sich auch auf nicht von Menschen bewohnte Theile des Staatsgebietes erstreckt, da ferner die Staatsangehörigen der Staatsgewalt regelmäßig nur, soweit fie sich im Staatsgebiete gegenwärtig oder in der Zukunft aufhalten 1, unterworfen find, da sich drittens die Staatsgewalt regel- mäßig auch auf die im Staatsgebiete verweilenden Ausländer mit erstreckt — die z. B. den Strafgesetzen unterstellt sind" —, da endlich kein im Staatsgebiet ver- weilender Inländer oder Ausländer bezüglich des Staatsgebietes Verfügungen zum Nachtheil der Staatsgewalt treffen, insbesondere keinen Theil des Staatsgebietes der Staatshoheit entziehen kann, während die Staatsgewalt umgekehrt Verfügungen über die Staatshoheit (z. B. Gebietsabtretungen) ohne und sogar gegen den Willen der Staatsangehörigen vornehmen darf, so wird auch das Staatsgebiet als solches als ein Object der Staatsgewalt angesehen werden müssen (ebenso Laband, I1, §21, Zorn, Reichsstaatsrecht, I, § 4, S. 99 ff. u. A. m., Seydel, Bayer. Staatsrecht, 1, S. 516 f.; anderer Meinung u. A. G. Meyer, Staats- recht, I, § 74, S. 190: „Das Gebiet ist kein Object der Staatsherrschaft“). Das Recht des Staates oder des Inhabers der Staatsgewalt am Staatsgebiete ist im 1 Man wird z. B. kaum behaupten, daß ein 1 Quidquid est in territorio, est etiam Deutscher von Abkunft, der sich im Ausland de territorio oder qui in territorio meo est, aufhält, aufhalten will und aufhalten wird, der etiam mens subditus est. deutschen Staatsgewalt unterworfen ist.