Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 8 16. Der Kaiser. Wenn König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in seiner Ansprache, welche er am 6. Februar 1850 im Rittersaal des königlichen Refidenzschlosses zu Berlin vor beiden Kammern hielt und der Eidesleistung auf die Verfassung voraus- schickte, sagen konnte 1, daß der preußische Königsthron auf den Siegen der preußischen Heere beruht, so läßt sich vom geschichtlichen und juristischen Standpunkt behaupten, daß der Norddeutsche Bund, das Deutsche Reich und die Würde des deutschen Kaisers erst durch die Siege Preußens geschaffen worden find. Von den drei Organen des Deutschen Reiches, dem Präsidium, dem Bundesrath und dem Reichstag, nennt Heinrich v. Sybel (Sten. Ber. des verfassungberathenden norddeutschen Reichstages 1867, S. 325 ff.) das Präsidium an erster Stelle. In Wahrheit hat das starke und siegreiche Preußen den Norddeutschen Bund durch einen Krieg geschaffen. Preußen legte sich dafür das Präsidium des Norddeutschen Bundes bei: das Recht über Krieg und Frieden, ein Veto in Militär-, Zoll= und Steuersachen, die Kriegsflotte, den Oberbefehl über das Landheer in Krieg und Frieden, die Vertretung nach außen, das Consulats-, Post= und Telegraphenwesen, das Recht der Eröffnung und Schließung des Bundesrathes und des Reichstages, die Voll- streckung der Bundesexecution, die Ernennung des Kanzlers u. s. w. Dem Parti- cularismus und den kleinen Staaten concedirte Preußen den Bundesrath, der liberalen öffentlichen Meinung in Preußen, Deutschland, in Europa concedirte die Krone Preußen den Reichstag. Wenn oft gesagt ist, daß der deutsche Kaiser und der deutsche Reichstag an einem Tage geboren seien, so ist vom Standpunkte der Staatsrechtswissenschaft zu bemerken, daß das Wort „Deutscher Kaiser“ nur eine bloße Bezeichnung für den König von Preußen, nur der Name ist, unter welchem der König von Preußen die Präßddialgeschäfte führt („bArndt, Comm. zur Reichsverfassung, S. 125, u. w. unten). „Es drückt aus und sollte ausdrücken nur eine perfönliche Titulatur“ (Seydel, Comm., 2. Aufl., S. 158). Legt man nun auf die Bezeichnung Werth, so muß bemerkt werden, daß die Bezeichnung „Deutscher Kaiser“ jünger ist als der norddeutsche Reichstag, älter als der deutsche Reichstag. Legt man, wie allein richtig ist, den Nachdruck auf die Sache, so kann nicht bestritten werden, daß der König von Preußen den Norddeutschen Bund und damit später das Deutsche Reich, den norddeutschen und damit später den deutschen Reichstag erst geschaffen hat. - In der norddeutschen Bundesverfassung werden drei verschiedene Bezeichnungen für die jetzt dem Kaiser zustehenden Rechte gebraucht: (Bundes-) Präsidium, 1 Arndt, Comm. zur preuß. Verf.-Urkunde, S. 24.