90 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. welche Bestimmung nach § 76 der Strafprozeßordnung auch für ihre Vernehmung als Sachverständige in Strafsachen gilt. Die gleichen Vorschriften gelten auch für die Vernehmung der Bundesrathsmitglieder als Zeugen und Sachverständige in Civilstreitigkeiten, Civilprozeßordnung § 3882, Abf. 2 und § 402. Da die Bundesrathsbevollmächtigten Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Körperschaft sind, so dürfen sie nach 35 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Amt eines Schöffen oder Geschworenen ablehnen. « Wie beim ehemaligen deutschen Bundestage stimmt auch beim Bundesrathe nicht der Bevollmächtigte, sondern der ihn bevollmächtigende Staat stimmt durch ihn; daher muß der Bundesrathsbevollmächtigte nach der ihm ertheilten Instruc- tion, nicht nach seiner individuellen Ansicht stimmen. Fürst Bismarck vor dem Reichstage am 19. April 1871 (Sten. Ber. des Reichstages 1871, S. 298): „Nach der Erfurter Verfassung stimmt im Staatenhause nicht der Staat, sondern das Individuum. So leicht wiegen die Stimmen im Bundesrathe nicht; da stimmt nicht der Freiherr von Friefen, sondern das Königreich Sachsen stimmt durch ihn; nach seiner Instruction giebt er ein Votum ab, das sorgfältig destillirt ist aus allen den Kräften, die zum öffentlichen Leben in Sachsen mitwirken. In dem Votum ist die Diagonale aller der Kräfte, die in Sachsen thätig find, um das Staatswesen zu bilden — — Es ist das Votum der sächsischen Krone, modificirt durch die Einflüsse der sächsischen Landesvertretung, vor welcher das sächsische Ministerium für die Vota, welche es im Bundesrath abgeben läßt, verantwortlich ift — — Analog ist es in den Hansestädten —; es ist das ganze Gewicht einer reichen, großen, mächtigen, intelligenten Handelsstadt, was sich Ihnen in dem Votum der Stadt Hamburg im Bundesrath darstellt, und nicht das Votum eines Hamburgers, der nach seiner persönlichen Ueberzeugung so oder so votiren kann. Die Vota im Bundesrath nehmen für sich die Achtung in Anspruch, die man dem gesammten Staatswesen eines der Bundesglieder schuldig ist.“ Da der Bundesrath die Vertretung der deutschen Souveräne ist, Elsaß- Lothringen aber nicht Mitsouverän am Reiche, sondern Provinz, Gebietstheil des Reiches ist, so hat es keinen stimmfähigen Vertreter im Bundesrathe. Doch können gemäß § 7 des Gesetzes, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß- Lothringens, vom 4. Juli 1879 (R.-G.-Bl. 1879, S. 165 ff.) zur Vertretung der Vorlagen aus dem Bereiche der elsaß-lothringischen Landesgesetzgebung, sowie der Interessen Elsaß-Lothringens bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung durch den Statthalter Kommissare in den Bundesrath abgeordnet werden, welche an dessen Berathungen über diese Angelegenheiten theilnehmen. Diese Kommissare haben das Recht, an allen Verhandlungen des Bundesraths, des Plenums wie der Aus- schüsse theilzunehmen, auch Anträge zu stellen. Vertreter Elsaß-Lothringens beim Bundesrath im rechtlichen Sinne find fie nicht, sie haben keine Stimme und * solche nur durch die Abänderung des Artikels 6 der Reichsverfassung erhalten. In Artikel 1 der Reichsverfaffung ist bei Preußen noch besonders das damals noch nicht in Preußen einverleibte Herzogthum Lauenburg genannt. Dies erklärt sich daraus, daß dies Herzogthum auch beim preußischen Bundestage keine besondere Stimme hatte (vgl. O. Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, 2. Aufl., S. 149, Anm. 5, Klüber, Akten u. s. w., S. 6, 42. 5, 505 f., Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht, 3. Aufl., Bd. II, § 245, S. 626, Nota 10). Das Fürstenthum Waldeck-Pyrmont steht nach dem Vertrage vom 2. März 1887 (abgedruckt in der Preuß. Ges.-S. 1887, S. 177) bis auf Weiteres zwar unter Preußischer Verwaltung (s. auch oben); indessen ist dem Fürsten das Recht der Vertretung des Staates nach außen hin verblieben. Also ist es der Fürst von Waldeck, der den Bundesrathsbevollmächtigten für Waldeck zu er- nennen und zu instruiren hat (vgl. auch die Erklärungen des Fürsten Bismarck in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses am 11. December 1867 in den Sten. Ber. des Abgeordnetenhauses 1867/68, Bd. I, S. 336—339, 341 u. 344).