8 17. Der Bundesßrath. 97. Beschlüsse keine Bundesrathsbeschlüsse, fie selbst nicht Mitglieder einer gesetzgebenden Körperschaft. Die Bevollmächtigten der Bundesstaaten werden Bundesrath, d. h. eine Körperschaft mit den dem Bundesrath beigelegten Befugnissen, erst, wenn der Kaiser den Bundesrath berufen und eröbffnet hat, und fie hören auf, der Bundesrath in diesem Sinne zu sein, wenn der Kaiser die Vertagung und die Schließung ausgesprochen hat (vgl. auch Arndt, Komm. zur Reichsverfassung, S. 130). Der Kaiser kann den Bundesrath berufen, wann und so oft er will, auch wenn der Reichstag nicht oder noch nicht einberufen ist. Der Kaiser muß den Bundesrath alljährlich berufen, ferner stets, wenn der Reichstag einberufen ist (Reichsverfassung Artikel 13), und endlich, wenn dies von einem Drittel der Stimmen, d. h. von Staaten, die zusammen über 20 Stimmen im Bundesrathe verfügen, verlangt wird (Reichsverfassung Artikel 14). Auch in diesen Fällen kann der Bundesrath nicht von selbst zusammentreten (vgl. Arndt, Komm., S. 131). Die besondere Einberufung des Bundesrathes ist entbehrlich, wenn er noch ver- sammelt ist, daher ist die förmliche Berufung des Bundesraths durch kaiserliche Verordnung seit 1883 abgekommen, weil seitdem der Bundesrath thatsächlich Fermanent ist (s. auch Seydel, Comm., S. 168). „Der Vorsitz im Bundesrath und die Leitung der Geschäfte steht dem Neichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist“ (Artikel 15, Abs. 1 der Reichsverfassung). Den Vorsitz und die Leitung der Geschäfte im Bundesrathe kann der Kanzler aber nur haben, wenn er Mitglied des Bundesraths ist. Dies folgt daraus, daß der Bundesrath nur aus Vertretern der Bundesglieder besteht, wie aus den Worten in Absatz 2 des Artikels 15 hervorgeht: „jedes andere Mit- glied“; s. auch Arndt, Komm. zur Reichsverfassung, S. 132, Laband, Reichs- staatsrecht, I, S. 254, Seydel, Commentar, S. 168. Zwar ist der Reichskanzler vom Kaiser zu ernennen, doch nur der König von Preußen als solcher kann Bundesrathsmitglieder ernennen. Indem der König aus diesen den Reichskanzler ernennt, übt er ein Präfidialrecht aus, ist also als Kaiser thätig. Näheres hierüber s. weiter unten bei dem vom Reichskanzler handelnden Paragraphen. Der Reichskanzler als solcher ist von Verfassungswegen Vorsitzender des Bundesrathes; auch darf er, während die übrigen Bundesrathsmitglieder nur durch besondere Ermächtigung die Substitutionsbefugniß besitzen, ohne besondere (kaiser= liche) Ermächtigung sich durch ein anderes und zwar durch jedes andere Mit- glied des Bundesrathes vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen (Artikel 15, Absatz 2 der Reichsverfassung). Dieser Satz erleidet eine Einschränkung durch die Bestimmung in IX des Schlußprotokolls zum Vertrage vom 283. November 1870 mit Bayern, welche lautet: „Der Königlich Preußische Gesandte erkannte es als ein Recht der Baye- rischen Regierung an, daß ihr Vertreter im Falle der Verhinderung Preußens den Vorsitz im Bundesrathe führe."“ Dies bedeutet ein Ehrenrecht Bayerns des Inhalts, daß, wenn der Reichskanzler sich nicht durch ein preußisches Bundesrathsmitglied vertreten lassen will oder kann, er die Vertretung an ein bayerisches Bundesrathsmitglied übertragen muß (vgl. hierzu auch Seydel, Comm., S. 169). Der Vorsitz im Bundesrathe wie die Ernennung des Reichskanzlers find preußische Hegemonial-Präfidialrechte 1. Die Abgabe der preußischen Stimmen im Bundesrathe ist eine preußische Angelegenheit, daher ist es nicht rechtlich noth- wendig, aber doch politisch wesentlich, daß der Kanzler zugleich an der Leitung der Fyreußischen Angelegenheiten wirksam betheiligt ist. Daß gerade der Kanzler die 1 Zutreffend sagte im verfassungberathenden S. 401 ff.): „Der Bundeskanzler ist nur Prä- Teichstage er Abgeordnete v. Thielau (Sten sidialbeamter. — — Er hat die Verant- Ber. 1867, S. 391), daß der Bundeskanzler wortung für alle Landlungen des Präsidiums. nichts weiter ist als ein „Delegirter“ der König= — — In der Legislatur wirke ich nur als lich preußischen Rehierung. ürst Bismarck preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrathe am 16. April 1869 im Reichstage (Sten. Ber/mit — —“ Arudt, Das Staatsrecht des Deutschen Neiches. 7