170 Biertes Buch. Die Gesetzgebnug des Deutschen Reiches. Ermächtigungen zum Erlasse von Anordnungen, deren Uebertretung mit Strafe bedroht ist, find im Strafgesetzbuch (§§ 145, 327, 328 u. a.) und in zahlreichen anderen geschngese ertheilt worden dem Kaiser, dem Bundesrathe, dem Reichs- kanzler, der Normal-Aichungskommission, den Reichskonsuln, den Landesregierungen, den (Central-, Provinzial= und Lokal-)Behörden der Einzelstaaten und sogar den Thierärzten 1. Gesetze dieser Art charakterifiren sich dadurch, daß das Verbot, dessen Uebertretung oder das Gebot, dessen Nichtbefolgung mit Strafe bedroht sind, nicht vom Gesetzgeber, sondern von einem Anderen ausgehen. Da der Gesetzgeber in dem, was er selbst anordnen oder Andern zur Anordnung überlassen will, unbeschränkt ist, kann der Reichsgesetzgeber, auf welchem Gebiete er will, also auch auf dem der (Sicherheits-, Straßen-, Gastwirthschafts= u. s. w.) Polizei Ermäch= tigungen zum Erlasse von Strafnormen aufstellen, also auch zum Erlasse von Polizeiverordnungen und polizeilichen Anordnungen jeder Art?. Von seiner Befugniß, Ermächtigungen zu Polizeiverordnungen oder polizeilichen Anordnungen zu ertheilen, hat das Reich, da ihm nur die gemeinsame Gesetzgebung zusteht, nur einen beschränkten Gebrauch gemacht und machen können. Was nicht gemeinsam, was in einer bestimmten Ortschaft zur Erhaltung der Leichtigkeit des Verkehrs, zur Sicherung von Person und Eigenthum polizeilich anzuordnen ist, hat es den Einzelstaaten und deren Organen überlassen, ebenso wie es auch den Einzelstaaten anheim giebt, ob sie die Orts-, die Kreis-, die Bezirks= oder eine andere Behörde, selbstständig oder unter Zustimmung von Selbstverwaltungskörperschaften, solche Anordnungen treffen lassen wollen. Es muß aber noch behauptet werden, daß das Reich das Ordnungsstrafrecht und das Disciplinarstrafrecht hat?, selbstredend nur bei gemeinsamen, ins- besondere Reichsangelegenheiten; nicht dagegen bezüglich der Ordnungs= und Disciplinarstrafen, welche eine Landesbehörde wegen Nichtbefolgung von Landes- vorschriften oder welche sie gegen einen Landesbeamten wegen Dienstvergehen ver- hängt. Die Reichszoll= und Steuergesetze kennen in der That ein Ordnungsstraf- recht"; desgleichen die Arbeiterversicherungsgesetze 5, und zwar hängt es wiederum vom Willen der Reichsgesetzgebung ab, ob die Ordnungsstrafe von einer Gerichts- oder einer Verwaltungsbehörde ausgesprochen wird, ob und welche Rechtsmittel dagegen freistehen. Ziff. 13 in Art. 4 überträgt der Gesetzgebung des Reiches „das gericht- liche Verfahren“. Bei der Allgemeinheit dieses Ausdruckes und da eine gemeinsame Regelung des Verfahrens ohne eine gemeinsame Gerichtsverfassung nicht denkbar ist, muß gefolgert werden, daß sich die Zuständigkeit des Reiches auch auf die Gerichtsverfassung mit erstreckto. Da der Ausdruck „das gerichtliche Verfahren“ ganz uneingeschränkt ist, da Niemand bei Erlaß der Verfassung ausgesprochen hat, daß das Reich niemals und nirgends eine eigene Gerichtsbarkeit haben darf, da vielmehr Jeder für selbstverständlich erachtet hat, daß ein einheitliches Handels-, Obligationen= und Strafrecht und ein einheitliches gerichtliches Verfahren auch einen einheitlichen, d. h. Reichs-Gerichtshof voraussetzen oder bedingen muß, so kann nur bestritten werden, daß in der Errichtung des Bundes-(Reichs-)Ober- handelsgerichts oder des Reichsgerichts eine Verfassungsänderung zu finden ist. Bei dem außerordentlichen Spielraum, den die Justizgesetze dem richterlichen 1 Vgl. Arndt, Verordnungsrecht, S. 162f. 2 Anderer Ansicht Binding, Handbuch. 1 a. a. O. S. 274; s. auch Hänel, Staatrecht, I, S. 456. 2 Vgl. hierzu auch O. Wayer, Deutsches Seddel Comm. S. 99. Verwaltungsrecht, Leipzig 1895, I. S. 811 ff – vom 1. Juli eydel, Comm., S. 99, ist der * ; 1869 ( G B11869 152, Geset, das eichsstrafrecht zuständi keitsgemäß auf poli- vetr. die Erhebung einer Ab 9 von Sant vom ellichem Gebiete nur entweder feste strafrechtliche 12. Oktober 1867 (B.= G.,#. 1867, S. 41), hatbestände unter Strafe stellen oder Blankett= 15 u. s. w. strafsatzungen aussprechen, niemals da egen, wenn 5 S. z. B. § 126 des Gesetzes, betr. die nicht eine anderweitige Zuständigkeit hef fend hin- Laaliditäts= und ltersverfic erung v. 22. Juni zutritt, Ermächtigungen zu mebtele desend hinn 889 (R. 9, S. 9 oder polizeilichen Anordnungen geben kann. Seo- Laen Sesde #n. S. 101.