430 Siebentes Buch. Finanzwesen. standen wäre (§ 149) 1. Rechnungen, die einmal abgelegt und quittirt find, können nach Ablauf von zehn Jahren unter keinerlei Vorwand mehr angefochten werden? (& 150). Nur wegen offenbarer, im Zusammenrechnen oder Abziehen vorgefallener Rechnungsfehler und wegen eines bei der Verwaltung begangenen Betruges kann der Geschäftsführer (Reich, Staat) auch nach Ablauf der zehnjährigen Frist den Ver- walter selbst, nicht aber seine Erben in Anspruch nehmen (§ 151). Die in § 150 bestimmte Verjährungsfrist nimmt bei solchen Verwaltungen, die durch mehrere Jahre dauern (also bei Staats- bezw. Reichsverwaltungen), in Ansehung des Verwalters (Beamten) selbst, von dem Zeitpunkte, wo er, nach seiner Entlassung und gelegter Schlußrechnung, die letzte oder Generalquittung (Entlastung) erhalten hat, ihren Anfang (§ 152). Zu Gunsten des Erben des Verwalters aber läuft diese Ver- jährung, in Ansehung einer jeden einzelnen Jahresrechnung, von dem Tage der darüber ausgestellten Specialquittung (§ 158). Die Entlastung hat der Rechnungshof nicht bloß dann zu ertheilen, wenn er nichts zu erinnern findet oder die von ihm gezogenen Erinnerungen durch Befolgung, sondern auch wenn diese Erinnerungen durch justificirte Cabinetsordre erledigt find. Weder die Ertheilung einer justificirenden Cabinetsordre, noch die ertheilte Ent- lastung befreien den Rechnungshof von der Pflicht, etwaige nach § 18 des Gesetzes vom “ März 1872 ihm obliegende Bemerkungen den gesetzgebenden Körperschaften zu machen. Wird der Grund einer vom Rechnungshof gemachten Erinnerung bestritten, so treten dieser und der Chef der Verwaltungsbehörde in Verhandlungen ein. Führen diese zu keinem Ergebnisse, so kann der Rechnungshof, wenn er seine Erinnerung nicht fallen läßt, anordnen, daß der von ihm nicht für gerechtfertigt erachtete Ausgabebetrag oder die von ihm für nothwendig erachtete Mehreinnahme in das Soll der Einnahme eingetragen werde. Der Beamte muß also für diesen Betrag aufkommen, wenn er keine justificirende Cabinetsordre erhält. Bleibt er im Amte, so wird ihm der Betrag vom Gehalt, geht er in Penfion, von seiner Pension ab- gezogen. Es steht ihm frei, im Rechtswege den Abzug zurückzufordern. In einzelnen Fällen ist das sogenannte Defectenverfahren gegen den Beamten zulässig (Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873, R.-G.-Bl. 18783, S. 61, in Preußen Verordnung vom 24. Januar 1844, G.-S. 1844, S. 52). Dieses Verfahren, dessen näherer Inhalt beim Beamtenrecht vorgetragen werden wird, nöthigt nicht zu seiner Anwendung. Ob der Reichsfiskus von ihm Gebrauch machen, ob er statt seines den ordentlichen Rechtsweg beschreiten oder ob er auch von diesem absehen will, hängt von dem Ermessen der den Staat ver- tretenden Behörde ab, der nicht zugemuthet werden darf, einen vielleicht gehäsfigen und rechtlich oder thatsächlich zweifelhaften Proceß vor der Oeffentlichkeit zu be- ginnen oder gegen das Reich zu veranlassen. An sich kann das Defectenverfahren sowohl gegen Beamte, die sich noch im Dienste befinden, wie gegen solche, welche bereits ausgeschieden oder entlassen sind, durchgeführt werden 2. Defecte, die im Defectenverfahren verfolgt werden können, find nur Kassen defecte, und zwar im weitesten, auch die Materialienverwaltung mit umfassenden Sinne. Ein solcher Defect liegt vor, wenn der aufgefundene Istbestand einer Kasse, eines Magazins u. s. w. geringer ist als der rechnungsmäßige Sollbestand. Nicht ist das Defectenverfahren zulässig für Rechnungsdefecte: das sind Zuvielverausgabungen und Zuvpiel- vereinnahmungen, sei es in Folge unrichtiger Rechnung, sei es in Folge von un- richtigen Zahlungen, welche von dem Rechnungshofe im Wege der Monitur fest- gestellt und zur Ver= oder zur Wiedervereinnahmung bestimmt worden find". Das Wesentliche des Defectenverfahrens besteht darin, daß die Verwaltungsbehörde einen 1 Dies folgt auch daraus, daß das Etats-zur Entscheiung der Competenz-Conflicte vom gesetz und die Dechargirung Rechte Dritter nicht 17. April 1858 im Justizministerialbl. 1858, berühren. S. 243, und im Ministerialbl. für die innere 2 D. h. vom Staate nicht mehr, wohl aber Verwaltung 1859, S. 74. von Dritten. * Vgl. Drucksachen des Reichstages 1877, : Bgl. Entscheidung des preuß. Gerichtshofs Anlagen Bd. III, Nr. 15, S. 32