§ 53. Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 577 Besondere Vorschriften gelten für die im Felden und an Bord ergangenen Urtheile. Gegen diese finden die Rechtsmittel der Berufung und der Revifion nicht statt (§ 419); fie werden durch die Bestätigung alsbald rechtskräftig und vollstreckbar. Wer das Bestätigungs= und das Aupfhebungsrecht bei den Urtheilen der Feldgerichte und der Bordgerichte ausübt, bestimmt der Kaiser (§ 422). Die Bestätigung, welche (nicht für Strafverfügungen) für alle militärgericht- lichen Erkenntnisse nothwendig ist, soll nur auf Grund besonderer juristischer Be- gutachtung ausgesprochen werden (§§ 424 ff.). Wem fie zusteht, bestimmt für die Marine der Kaiser, sonst (abgesehen von Feld= und Bordgerichten) der zuständige Contingentsherr. Dies ist im Sinne der Militärstrafgerichtsordnung, soweit nicht Militärconventionen ein Anderes bestimmen, der Landesherr, dessen Kriegs- ministerium die Verwaltung hinsichtlich des betreffenden militärischen Verbandes ausübt (§ 4 des Einführungsgesetzes). In die durch Militärconventionen ge- troffenen Abmachungen (z. B. wegen der Begnadigung, Strafvollstreckung) soll weder durch diesen § 4 noch überhaupt durch die Vorschriften der Militärstrafgerichts- ordnung eingegriffen werden. V. Vollstrechung der Strafen. Die Vorschriften über die Vollstreckung find nur theilweise in der Militär- strafgerichtsordnung enthalten (§§ 450 ff.). Soweit diese keine Bestimmungen hat, sind die Verordnungen und die Verordnungsbefugnisse der Contingentsherren in Geltung geblieben. Militärgerichtliche Strafurtheile sind (§ 450) nach Maßgabe der Be- stätigungsordre, Strafverfügungen nach Maßgabe ihres Inhalts zu vollstrecken. Die Strafvollstreckung wird (§ 451) durch den Gerichtsherrn angeordnet, welcher die Erhebung der Anklage verfügt hat. Die Vollstreckung einer durch Enthauptung zu vollziehenden Todesstrafe erfolgt durch die bürgerlichen Behörden auf Grund einer mit der Bescheinigung der Rechtskraft versehenen beglaubigten Abschrift des Urtheils, welcher eine beglaubigte Abschrift der Bestätigungsordre beizufügen ist. Officiere u. s. w. und Beamte mit Officiersrang begeben sich allein zur Strafanstalt und melden sich dort beim Gouverneur . Erscheint jedoch ein Fluchtversuch möglich, so ist der Verurtheilte durch einen im Rang möKlichst gleichstehenden Officier, dem nöthigenfalls ein zweiter Officier oder einige Unterofficiere beizugeben sind, nach der Strafanstalt zu schaffen. Die übrigen Militärpersonen werden in der Regel nach der Strafanstalt abgeführt; nur ausnahmsweise kann ihnen gestattet werden, allein zu reisen. Zur Abführung wird ein Unterofficier (bei Portepeeunterofficieren ein solcher) im Dienstanzug oder in schwereren Fällen ein aus einem Unterofficier und einem Mann bestehendes Commando (wenn nöthig mit Schußwaffen) gestellt, auch der Verurtheilte gefesselt oder in einer Miethsfuhre fortgeschafft. Der Abzuführende hat, worauf er hinzuweisen ist, dem Transportführer unbedingt Folge zu leisten; dieser hat bei thätlicher Widersetzung oder einem Fluchtversuch die Waffe zu ge- brauchen. Bei der Abführung soll das Ehrgefühl geschont, Aufsehen und volkreiche Straßen thunlichst vermieden werden. Die Arrestaten sind in einem besseren An- zug abzuführen und abzuholen. Das Seitengewehr verbleibt ihnen, wenn nicht Fluchtversuch oder Mißbrauch zu besorgen sind. Tage und Monate werden nach der Kalenderzeit, Wochen zu 7 Tagen, Tage zu 24 Stunden gerechnet. Erkrankungen während einer Festungsstrase werden auf die Strafzeit angerechnet. Gesuche der in Strafanstalten befindlichen Verurtheilten gehen an den Gou- verneur u. s. w., der zu einfachem Stubenarrest Verurtheilten an den nächsten, mit mindestens der Disciplinargewalt eines detachirten Stabsofficiers betrauten Vor- gesetzten. Begnadigungsgesuche müssen offen übergeben werden. Es ist dafür zu sorgen, daß Mannschaften ihre Beschwerden über Strafvollstreckung unmittelbar und mündlich vortragen können. Beurlaubung ist nur in ganz besonderen Fällen 1 Siehe auch oben S. 479, ferner 3§ 5 und 6 2 S. hierzu und zum Folgenden v. Fircks, des Einführungsgesetzes zur Strafproceßordnung. Jahrg. 1900, S. 364 f. Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 37