7 zichtende kann sich nie wahre Regierungsrechte vor- behalten. Der Umfang der monarchischen Rechte ist ein notwendiger, zusammengehöriger; die mon- archischen Rechte können nicht beliebig geteilt wer- den. Der Staat bedarf eines regierenden Herrn, welcher zur wirksamen Ausübung der Staats- gewalt keines Rechts der Krone entbehren kann. Dagegen kann sich der Verzichtende Titel und Ehrenrechte vorbehalten. Ja auch dann, wenn ein solcher Vorbehalt nicht ausdrücklich erklärt worden wäre, würde es als selbstverständlich betrachtet werden; denn der resignierende Souverän behält regelmäßig die bisher geführten Titel, außerdem die Eigenschaft eines Mitglieds des regierenden Hauses und alle hiervon abhängigen Rechte. Zum neuen Monarchern tritt der Verzichtende streng genommen in ein Untertanenverhältnis. Ja der regierende Monarch übt über den, der verzichtet hat, sogar die Rechte eines Familienoberhauptes aus, denn diese Rechte sind untrennbar mit der Innehabung der Souveränität verbunden. Aus- nahmen müssen ausdrücklich statuiert werden. So heißt es im Verzichtsvertrag des Herzogs Bern- hard von Sachsen-Weimar vom 30. Nov. 1866: „Auch verzichtet der regierende Herzog seinen Durchlauchtigsten Eltern gegenüber auf die Aus- übung der persönlichen Befugnisse eines Familien= chefs.“ — Bisher war von der Wirkung des Ver- zichts für die Person des Verzichtenden die Rede; von der Wirkung für seine Deszendenz ist folgendes zu erwähnen. Selbstverständlich kann ein Thronverzicht der schon gebornen Deszendenz nicht schaden. Auch die nach der Thronentsagung geborne Deszendenz muß, sofern sie den für die Abstammung vorgeschriebenen Erfordernissen ent- spricht, für sukzessionsfähig erachtet werden. Sie muß aber der Linie des nun regierenden Herrn weichen, nach deren Erlöschen erst ihr eventuelles Sukzessionsrecht in verfassungsmäßiger Reihen- folge wieder aufleben würde. Die Sukzessions- ordnung, zumal in den deutschen Fürstenhäusern, ist nun einmal eine Linealerbfolge, welche eine Unterbrechung der Linie nicht gestattet. Die An- sicht (z. B. Gerbers), welche die nach der Ent- sagung geborne Deszendenz von der Thronfolge ausschließen will. steht vereinzelt. Nicht das noch vorhandene Sukzessionsrecht der Deszendenten, sondern die Verfassung und die Gesetze des Lan- des sind die Grundlage der Berechtigung zur Thronfolge. Diese knüpfen den Anspruch auf die Thronfolge lediglich an die Abstammung vom ersten Erwerber, welche durch Verzicht eines Zwi- schenglieds auf die ihm zustehenden Rechte nicht beseitigt wird. Auch ist der früher wohl geltend gemachte Gesichtspunkt, daß durch den Verzicht von den übrigen Agnaten des Hauses Rechte er- worben seien, welche nicht verletzt werden dürften, jetzt nicht mehr maßgebend. Es liegt endlich kein Grund vor, die spätgebornen Nachkommen des- jenigen, welcher schon vor Eröffnung der Thron- folge verzichtet, anders zu behandeln als die nach- Abdankung. 8 trägliche Deszendenz desjenigen, der nach bereits erfolgtem Regierungsantritt entsagt. Es kann nämlich Verzicht auf die Thronfolge auch schon vor Antritt der Regierung ausgesprochen werden. Er besitzt jedoch in diesem Fall keinerlei bindende Kraft und kann in jedem Augenblick zurückgenom- men werden. Auch beschränkt er sich in seinen Wirkungen lediglich auf die Person des Verzich- tenden. Seine nach dem Verzicht geborne De- szendenz muß, wie erwähnt, als sukzessionsfähig angesehen werden. Ob einem zurückgetretenen Souverän noch die früheren internationalen Rechte und Ehren verbleiben, hängt von der Konvenienz der andern Mächte ab. Beispiele zurückgetretener Monarchen, denen man noch könig- liche Ehren erwies, waren Christine von Schweden (1654/89), welche sogar noch das Recht der Exterritorialität mit eigener Gerichtsbarkeit in Frankreich in Anspruch nahm, Stanislaus Le- säczynski (1709/66), mehr oder weniger König Karl IV. von Spanien seit 1808, König Gustav IV. von Schweden, König Ludwig von Holland, Kaiser Franz II., dem die deutschen Höfe auch nach 1806 den römisch-Deutschen Kaisertitel gaben. 3. Ahnliche Staatsrechtsgeschäfte. Von einer eigentlichen Abdankung kann man nicht sprechen, wenn der Thronfolger die ihm von Rechts wegen angefallene Krone ausschlägt. Auch liegt keine Abdankung vor, wenn der Monarch in Erkenntnis seiner Unfähigkeit auf die Ausübung seiner Regierungsrechte verzichtet und die Ein- setzung einer Regentschaft veranlaßt. Dagegen kann diese, die sog. Regentschaft, erlöschen durch Abdan- kung des derzeitigen Regenten. In der Annahme eines Mitregenten kann eine faktische Ent- äußerung der Regierungsgewalt liegen. Sie hat aber eine von der wirklichen Abdankung abwei- chende Bedeutung. Der bisherige Monarch gibt damit sein Recht teilweise auf und beruft den Nachfolger zur Gemeinschaft im Monarchenrecht, so daß in Wahrheit das letztere zwei Inhabern zugleich zustehen soll. Ubrigens ist die Möglich- keit einer Mitregentschaft in den wenigsten Ver- sassungsurkunden vorgesehen und die Theorie der- selben abgeneigt, da sie das Wesen der modernen Staatsordnung alteriere und eine verfassungs- widrige Dyarchie an die Stelle der Monarchie setze. Die Praxis war der Mitregentschaft weniger feindlich (so in Sachsen 1830, Kurhessen 1833, Anhalt-Bernburg 1855) und betrachtete sie mehr vom Standpunkt einer antizipierten Thronfolge. Nach 1806 waren lange Zeit die Annahmen zur Mitregentschaft beliebter als die Abdankungen. Man wollte der Folge ausweichen, daß der bis- herige Souverän der Untertan seines Thronfolgers würde (Maurenbrecher). 4. Stillschweigende Abdankung. Eine eigene Bewandtnis und große Schwierig- keit hat der stillschweigende Verzicht. Es ist sraglich ob man ihn überhaupt noch durchaus staatsrechtlich nennen kann (Gareis). Die still-