27 der Niederlande finden sich wesentlich entsprechende Bestimmungen, so daß wohl keine außerdeutsche Verfassung existieren dürfte, in der die fragliche Garantie fehlte. Die Verfassungen der deutschen Bundesstaaten weichen in Ansehung der Gewähr der Redefreiheit sowohl von dem vorbemerkten Standpunkt als auch voneinander ab; die meisten nämlich enthalten mehr oder minder bedeutende Beschränkungen dieser Freiheit (so Sachsen (8831, Württemberg [(§ 1851, Hessen (Art. 831|, Sachsen- Weimar /8 181, Oldenburg [Art. 1311, Braun- schweig (§8 134 u. a.). Die preußische Verfassung bestimmt in Art. 84, daß die Mitglieder des preu- Whischen Landtags „für ihre in demselben ausge- sprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf Grund der Geschäftsordnung zur Rechenschaft gezogen werden“ können. Diese Vorschrift hat aber zur einheitlichen Reglung des in Rede stehen- den Punktes für alle gesetzgebenden Körperschaften Deutschlands geführt. Den Anstoß gab der Fall Twesten-Frentzel im preußischen Abgeordneten- haus im Jahr 1865. Bis dahin hatte das Preu- Pische Obertribunal in wiederholten Entschei- dungen aus den Jahren 1853 und 1865 den in Art. 84 gebrauchten Ausdruck „Meinungen“ da- hin ausgelegt, daß er alle Außerungen eines Ab- geordneten, welche von demselben in dieser seiner Eigenschaft bei Ausübung seiner Funktionen in den Kammern gemacht würden, umfasse. In dem er- wähnten Fall jedoch entschied unter dem 26. Jan. 1866 ein Plenarbeschluß des Obertribunals, daß der Art. 84 eine strafrechtliche Verfolgung wegen einer bei Ausübung der Abgeordneten- funktionen in der Kammer ausgesprochenen Ver- leumdung nicht ausschließe; nur bei bloßen Be- leidigungen ohne verleumderischen Charakter finde eine solche nicht statt; er ging davon aus, daß der Art. 84 eine Ausnahmevorschrift enthalte, deshalb restriktiv zu beurteilen und daß unter „Mei- nungen“ lediglich die Resultate des Denkvermögens im Gegensatz zur Behauptung und Verbreitung von Tatsachen zu verstehen seien. Verschiedene Versuche des preußischen Abgeordnetenhauses, eine authentische Interpretation oder ein den Art. 84. abänderndes Gesetz im Sinn der ehemaligen Aus- legung des Obertribunals, an der die Auffassung des Abgeordnetenhauses stets festgehalten hatte, herbeizuführen, scheiterten regelmäßig an dem Widerspruch des Herrenhauses. Inzwischen aber war in die Verfassung des Norddeutschen Bundes der Art. 30, und zwar ohne Diskussion, ausgenom- men worden, wonach „kein Mitglied des Reichs- tags zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs ge- tanen Außerungen gerichtlich oder diszipli- nauarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versamm- lung zur Verantwortung gezogen werden“ darf. Im Anschluß daran wurden im Reichstag des Norddeutschen Bundes Anträge gestellt, welche durch Gesetz in allen Staaten des Bundes die gleiche Bestimmung einzuführen bezweckten, solche auch Abgeordneter. 28 angenommen, aber von dem Bundesrat abgelehnt. Als dann die Beratung des Strafgesetzbuchs kam, wurden die Versuche erneuert, eine entsprechende Vorschrift in das letztere einzustellen; dieselben hatten den Erfolg, daß eine solche als § 11 in das Strafgesetzbuch aufgenommen ist. Als Reichsgesetz geht sie den landesgesetzlichen Vorschriften, auch wenn es verfassungsmäßige sind, vor; der erwähnte Art. 30 der Verfassung des Norddeutschen Bundes ist in die des Deutschen Reichs übergegangen; der einheitliche Rechtszustand ist also geschaffen. Der Schutz, den diesen Bestimmungen gemäß der Ab- geordnete genießt, bezieht sich, wie der Wortlaut ergibt, auf jede Art der Verantwortung außerhalb der Versammlung, der er angehört. Auf den In- halt der Außerungen kommt es nicht an, mag er auch den Tatbestand eines Verbrechens oder Ver- gehens enthalten, den des Hochverrats, Landes- verrats, der Majestätsbeleidigung, Aufreizung zum Klassenkampf, Verleumdung, Beleidigung usw. nicht ausgeschlossen. Auch die Form ist unerheblich; die „Außerungen" können schriftlich, mündlich oder durch konkludente Handlungen gemacht werden. Nur das ist wesentlich, daß sie das Merkmal eines Berufsaktes an sich tragen. Die Ausübung des Abgeordnetenberufs beschränkt sich nun keineswegs auf die Plenarversammlungen der gesetzgebenden Körperschaft; auch in den Abteilungen, Kommis- sionen, Ausschüssen kann der Abgeordnete berufs- mäßig tätig sein. Anderseits ist es nicht aus- reichend, daß die Außerung innerhalb einer solchen offiziellen Versammlung fällt; nicht jede dort ge- machte Außerung ist ein Berufsakt, selbst wenn sie mit Bezug auf den Beratungsgegenstand erfolgt, z. B. nicht eine in der Unterhaltung mit einem Nachbar fallende. Indessen ist es auch wieder nicht notwendig, daß die Außerung in der Kammer getan werde, um straflos zu bleiben, wie dies der Wortlaut des Art. 84 der preußischen Ver- fassung verlangte; auch außerhalb nicht bloß des „Hauses“, sondern auch einer Versammlung der erwähnten Art ist eine jede Außerung als immun zu betrachten, wenn sie nur in Ausübung des Be- rufes getan wurde; als solche dürfte daher stets jede Außerung zu gelten haben, welche in Aus- führung eines von der gesetzgebenden Versammlung gegebenen Auftrags, z. B. bei Deputationen, Enqueten, getan wird, selbst wenn nur ein ein- zelner Abgeordneter dabei tätig wäre. Nicht zu den amtlichen Versammlungen der Abgeordneten gehören die Zusammenkünste der einzelnen Frak- tionen, der freien Vereinigungen und ähnlicher Assoziationen; wie überhaupt die Parteien, so haben auch diese Vereinigungen nur eine politische, aber keine rechtlich relevante Bedeutung; Auße- rungen, hier gemacht, stehen unter dem gemeinen Recht. Dasselbe gilt von Außerungen (Reden, Rechenschaftsberichten usw.) in Wählerkreisen (Vertrauensmänner-, Volksversammlungen). Die Wiederholung einer in dem Parlament gehal- tenen, daher straflosen Rede außerhalb desselben