103 Ad d) Exrterritoriale Personengesamtheiten sind Truppenkörper, detachierte Abteilungen, welche sich zur Besatzung oder auf dem Durchmarsch (Etappenrecht) in fremdem Staatsgebiet befinden. Ihr Auftreten im fremdem Land ist freilich ein ausnahmsweiser Zustand, meist auch an gewisse Bedingungen gebunden. Nie aber kann eine Truppe der Kommandogewalt ihres Kriegsherrn auch nur vorübergehend entrückt sein, sie wäre denn kriegs- gefangen oder auf neutralem Gebiet zur Waffen- streckung gezwungen worden. · Die nationalen Staatsschiffe sind auch in fremden Küsten und Eigengewässern von der Staatsgewalt des Aufenthaltsstaates befreit; die Handelsschiffe gelten auf offener See in allen Rechtsbeziehungen als schwimmende Gebietsteile ihres Heimatsstaates. Zu den Staatsschiffen ge- hören in erster Linie die Kriegsschiffe, ferner alle andern Schiffe, die dauernd und ausschließlich im Dienste des Staates verwendet werden; Post- schiffe, die auch den Transport von Personen und Frachten besorgen, nur auf Grund besonderer Ver- einbarung. Ade) Die den Gesandten zustehenden Vor- rechte und Befreiungen kommen den Konsuln nicht zu. Indessen ist die Stellung der Jurisdiktions- konsuln im näheren und entfernteren Orient eine durchaus eigenartige, auf der Geltung des Per- sonalitätsprinzips in den nichtchristlichen Ländern beruhende. Die rechtliche Grundlage dieser eigen- artigen Stellung liegt, abgesehen von dem Her- kommen, in besondern Verträgen (Kapitulationen), welche die christlichen Staaten mit der Türkei und nach diesen Mustern mit andern nichtchristlichen Staaten abgeschlossen haben. Sie verbürgt den Organen der konsularischen Gerichtsbarkeit die Unverletzlichkeit ihrer Person, ihrer Amtsräume, Fabrik — Familie. 104 ihrer Korrespondenz, des Archivs und eine Reihe von Exemtionen gegenüber den Lokalbehörden, so daß der konsulare Schutz in manchen Bezirken noch weiter reicht als sonst der gesandtschaftliche. Nach den Festsetzungen der Schiffahrtsakte für die Donaumündungen ist das administrative und technische Personal im Krieg und Frieden von der Staatsgewalt der Uferstaaten befreit, im Krieg außerdem neutralisiert. Zufolge der Generalakte der Berliner Konferenz vom 26. Febr. 1885 sind die Mitglieder der internationalen Kongokommis- sion in der Ausübung ihrer Funktionen mit dem Privileg der Unverletzlichkeit bekleidet. Der gleiche Schutz soll sich auf die Amtsräume und Archive der Kommission erstrecken. Literatur. de Heyking, De l’exterritorialité (Berl. 1889); Pietri, Sur la fiction d'exterritoria- lité (Par. 1895); Vercamer, Des franchises des agents diplomatiques et de Tezterritorialité (Brüssel-Par. 1891); Marx, Gerichtl. Exemtionen der Staaten, Staatshäupter u. Gesandten im Aus- land (1895); Beling, Die strafrechtl. Bedeutung der E. (1896); Hübler, Die Magistraturen des völkerrechtl. Verkehrs u. die E. (1900); Loening, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten u. Sou- veräne (Festgabe der Universität Halle für H. Fit- ting, 1903); Stoerk, Art. „E.“ in Holtzendorffs Handbuch des Völkerrechts II; Ferguson, Juris- diction et exterritorialité en Chine (Brüfs. 1890); Feraud-Giraud, Etats et souverains, Personnel diplomatique et consulaire, corps de troupes navires devant les tribunaux étrangèeres I/I (Par. 1895); Art. „E.“ im Österr. Staatswörter- buch 1 (1905); Verhandlungen u. Arbeiten des In- stituts für Völkerrecht, besonders im Annuaire 1891 u. 1895. Siehe auch die Literatur bei Art. Ge- sandte, Gesandtschaftsrecht u. die Handbücher über internat. Privat= u. Strafrecht u. Seevölkerrecht. [Lentner.] F. Fabrik (Begriff) s. Handwerk. Fabrikgesetzgebung s. Gewerbe, Gewerbe- ordnung und Schutzgesetzgebung, gewerbliche. Fabrikinspektion s. Gewerbeausfsicht. Fachabteilungen s. Gewerkvereine. Familie. I. Wesen. 1. Wortbedeutung. Im engsten Sinn bezeichnen wir mit Familie das Doppelverhältnis von Ehemann und Eheweib einerseits und von Eltern, Kindern und Geschwi- stern anderseits (Sonderfamilie). Im erweiterten Sinn wird das Wort gebraucht, um den ganzen Umfang der Beziehungen zu be- zeichnen, die mehrere Generationen durch Ehe und Abstammung verbinden (Großfamilie). Im weitesten Sinn genommen und zugleich im ersten Wortsinn (kamilia) ist Familie die Gesamt- heit der unter einem Dache und unter der haus- väterlichen Gewalt lebenden Personen. Ursprüng- lich und bei einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen jetzt noch deckt sich diese Wortbedeutung mit Familie im engsten Sinn. 2. Begriff. Je nach dem Standpunkt ergeben sich verschiedene Begriffsbestimmungen, deren Grundlage allerdings die Auffassung der Familie als einer natürlichen Gesellschaft ist. Mehr wirtschaftlich aufgefaßt (Aristoteles, Thomas v. Aquin) ist die Familie eine natürliche Gesell- schaft und Gemeinschaft zum Zweck des täglichen Zusammenlebens, zur Besorgung alles dessen, was der Mensch täglich bedarf. Vom Rechtsstand- punkt aus kann man im Anschluß an das römische Recht die Familie umschreiben als die Gemeinschaft derjenigen Personen, die der hausväterlichen Ge- walt unterstellt sind (Cathrein, Pesch).