3 Kapital usw. 4 Kriege, in welchem man deutscherseits die Aus- rüstung einer freiwilligen Seewehr beabsichtigte, die schon deshalb mit dem alten Kaperwesen nichts gemein haben konnte, weil ihr als Aufgabe nicht die Wegnahme von feindlichem Privateigen- tum, sondern ausschließlich die Wegnahme oder Zerstörung feindlicher Kriegsschiffe gestellt war (Verordnung vom 24. Juli 1870), eigentlich nicht mehr. Denn die Deklaration ist seither in allen Seekriegen befolgt worden. Selbst die Vereinig- ten Staaten und Spanien haben im Kriege 1898 auf die Verwendung von Kapern verzichtet. Es handelt sich jetzt hauptsächlich um eine aus Handelsschiffen gebildete Reserve der Kriegs- marine, eine freiwillige Seewehr, die zu den orga- nisierten Seestreitkräften gehört nach Art der 1878 von Rußland geschaffenen freiwilligen Kreuzer- flotte. Das Recht der Kriegführenden zur Ein- reihung von Handelsschiffen in die Kriegsflotte wurde auf der Haager Konferenz von 1907 all- seitig anerkannt, jedoch in dem VII. Abkommen davon abhängig gemacht, daß die eingereihten Handelsschiffe unter militärischem Befehl und Dis- ziplin stehen, die Gesetze und Gewohnheiten des Krieges befolgt werden, die Einreihung dauernd und äußerlich (durch Führung der äußeren Ab- zeichen der Kriegsschiffe) erkennbar ist sowie zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird. 2. Grundsätze der Kriegspraxis. Für die- jenigen Staaten, welche der Seerechtsdeklaration nicht beigetreten sind oder für den Fall der Re- torsion (s. Art. Retorsion), d. h. wenn eine der kriegführenden Signatarmächte Kaper ausrüstet. so daß der andere Teil gleichfalls hierzu berechtigt wird, gelten die durch die neuere Praxis ausge- bildeten Grundsätze. Hiernach stehen die Kaper unter dem Befehle der obersten Marinebehörde, von welcher sie die Erlaubnis zur Wegnahme der Prisen (lettres de marque oder commission de guerre) erhalten haben, und führen die Kriegsflagge, sind aber nicht militärischem Befehl unterstellt. Die Ausstellung von Kaperbriefen an Schiffe, die nicht der Handelsmarine des Krieg- führenden angehören, gilt als völkerrechtswidrig, um so mehr jene an Piraten, Sklavenhändler und Freibeuter. Die Annahme von Kaperbriefen ist mit der Neutralität unvereinbar. Für eine solche Verletzung des Völkerrechts ist der Staat verant- wortlich, welchem der Kaper angehört, dieser selbst als Seeräuber zu behandeln. Als Pirat gilt auch, wer von mehreren Staaten, insbesondere von den beiderseitigen Kriegspartnern, Kaperbriefe nimmt. Uberhaupt darf der Kaper nur von einem Staate und nur von dem Inhaber der obersten Regierungsgewalt oder in dessen Auf- trage, wohl aber gegen zwei oder mehrere Staaten ermächtigt werden. Die Kaper haben nicht nur Kriegsregel und Kriegsbrauch zu beobachten, sondern auch die für sie speziell erlassenen In- struktionen, und müssen für deren Beobachtung Kaution oder Bürgschaft stellen. Die weggenom- menen Schiffe haben sie vor das Prisengericht zu bringen und dessen Erkenntnis abzuwarten. Die autorisierten Kaper können auch ermächtigt sein, Loskaufs= und Ranzionierungsverträge zuschließen, d. h. Verträge, wodurch das gekaperte Schiff gegen ein Lösegeld (Prisengeld) oder einen dessen Zah- lung verbürgenden Schein (billet de rangon) losgelassen und ihm andern Kapern und Kreuzern derselben Macht gegenüber die unbehinderte Fort- setzung der Reise bis zum Bestimmungshafen in der dafür vereinbarten Zeitfrist und Richtung garantiert wird. Die Ermächtigung zur Kaperei ist streng persönlich, unübertragbar und jederzeit widerruflich. Literatur. Georg Ferd. Martens, Versuch über Kayer (1795); Hautefeuille, Droit des neu- tres 1 327; Phillimore I 188; Halleck XVI 11; Geffcken in v. Holtzendorffs Handbuch IV, a) ge- schichtl. Entwicklung, b) die Kaperei im 19. Jahrh.; die Seerechtslit. u. außerdem Aube, Un nouveau droit maritime international (Par. 1875); Monte- chant, Les guerres navales de demain (ebd. 1892); Pyle, The Buccaneers and Marooners (Lond. 21892); Leroy, La guerre maritime, les arme- ments en course usw. (1900); La Mache, La guerre de course dans le passé, dans le présent. et dans T’avenir (1901); Duboc, Le droit de visite et la guerre de course (1902); ferner, Perels, Archiv für öffentl. Recht 1 466 sowie die Aufsätze in der Revue génér. de droit public von Funck- Brentano I 324 u. Duboc IV 402. [Lentner, rev. Ebers.] Kapital und Kapitalismus. [Kapi- tal: Begriff; verschiedene Auffassungen; Bestand- teile und Arten; Funktion in der Produktion; Fruchtbarkeit; Unfruchtbarkeit des Geldes und das kirchliche Zinsverbot; Entstehung. Kapitalis- mus: Begriff und Wesen; Merkmale der kapita- listischen Gesellschaftsordnung; Geschichte; Sozia- listische Kritik; Würdigung der sozialistischen Kritik; Kapitalismus und Christentum.) I. Kapital. 1. Begriff. Es ist ein eigenes Verhängnis, daß so viel gebrauchte Worte wie „Kapital“ und „Kapitalismus“ — ähnlich wie „sozial“, „Sozialismus“ — Anlaß zu zahlreichen Mißverständnissen gegeben haben. Vor allem ist gleich hier gegen die eine Auffassung Stellung zu nehmen, welche Kapital und Kapitalismus unter- schiedslos durcheinanderwirft. Man geht dabei von der Anschauung aus, daß jedesmal dann, wenn in einer Volkswirtschaft Kapital zur An- wendung kommt, auch von Kapitalismus geredet werden könne, eine Anschauung, die auf Irrtum beruht, wie später gezeigt werden wird. Daß irgend welcher Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen besteht, läßt sich nicht in Ab- rede stellen. Aber es tut not, dieselben klar und bestimmt voneinander zu unterscheiden. Vorerst gilt es, den Kapitalbegriff klarzulegen. Das Wort Kapital stammt aus dem mittel- alterlichen Latein. Capitale = capitalis pars debiti bedeutet zunächst den Hauptstamm einer