1393 beendigt ist, wird regelmäßig Tatfrage sein. Er ist z. B. noch nicht beendigt, wenn der Dieb mit der gestohlenen Sache flieht. Der Bestohlene darf sich auch dann noch gegen den Diebstahl wehren, selbst dadurch, daß er den Dieb niederschießt (be- stritten mit Rücksicht auf § 859, Abs. 2 B.G.B.; vgl. dagegen richtig Schollmeyer S. 6 f). Der Angriff müß 3) rechtswidrig sein. Er muß gegen das Recht verstoßen, doch genügt objektive Rechtswidrigkeit. Verschulden oder Vorsatz des Angreifers ist nicht erfordert. Es genügt aber nicht, daß der Angriff sich gegen ein Recht des Angegriffenen richtet, es muß hinzukommen, daß der Angreifer kein Recht zu seinem Angriff hat. Notwehr ist deshalb nicht gestattet gegenüber jeder befugten Gewalt: gegenüber dem in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes begriffenen Beamten, dem Inhaber eines Züchtigungsrechts (Vater, Vormund, Lehrer) oder eines innerhalb der gesetz- lichen Schranken (gute Sitten!) eingeräumten andern Rechts und endlich auch gegenüber der Notwehr selbst. Rechtlich unerheblich ist dagegen, daß der Angriff vorausgesehen werden konnte, oder daß er von dem Angegriffenen selbst ver- schuldet worden ist. Der Angriff muß 4) gegen ein Rechtsgut gerichtet sein, d. h. gegen ein rechtlich geschütztes Interesse. Gegenstand des Angriffs kann also die Person (Leben, Gesund- heit, Freiheit, Ehre, Namensrecht des Angegriffe- nen) oder das Vermögen (Eigentum, dingliche und Forderungsrechte, und grundsätzlich auch der Besitz) sein. Ebenso ist die Notwehr aber auch gestattet gegen Angriffe auf das sittliche oder religiöse Gefühl und zum Schutz gegen Landes- verrat und andere gegen den Staat oder die All- gemeinheit gerichtete Verbrechen. Endlich muß 5) die Verteidigung erforderlich sein, um den Angriff abzuwenden. Sie darf also zwar grund- sätzlich so weit ausgedehnt und so kräftig geübt werden, daß der Angriff erfolgreich abgewiesen wird, sie darf dabei aber die Grenzen des unbe- dingt Notwendigen nicht überschreiten. Die Ver- teidigung muß der Stärke des Angriffs ange- paßt sein: der Angegriffene darf zu den jeweils schärferen Verteidigungsmitteln erst dann greifen, wenn die schwächeren nicht ausreichen; er darf den Angreifer nicht töten, wenn er dem Angriff auch durch seine Festnahme erfolgreich begegnen kann. Entscheidend für das unbedingt notwendige Maß der Verteidigung kann stets nur die Kampflage selbst sein, und zwar sowohl im Hinblick auf die Person des Angreifers und die Beharrlichkeit seines Angriffes als auch auf den Stand und Beruf des Angegriffenen. Auf das gegenseitige Wertverhältnis des durch den Angriff und des durch die Verteidigung gefährdeten Rechtsguts kommt es jedoch nicht an; das geringfügigste Rechtsgut darf durch Tötung des Angreifers ge- schützt werden, wenn der Angriff auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann. Das Recht muß sich dem Unrecht gegenüber wenn nötig mit den Notwehr ufw. 1394 äußersten Mitteln behaupten dürfen. Die Not- wehr ist deshalb auch dann statthaft, wenn der Angegriffene sich dem Angriff durch die Flucht oder durch eine List entziehen, oder wenn er zu seinem Schutz die Hilfe der Staatsgewalt an- rufen könnte; er kann frei entscheiden, ob er sich wehren oder einen dieser drei Wege einschlagen will. Stets aber darf sich die Verteidigung nur gegen den Angreifer selbst, nicht gegen Dritte richten. Die Verletzung des Angreifers über die Grenzen der erforderlichen Verteidigung hinaus unterliegt als rechtswidrige Handlung den allgemeinen Vor- schriften der Gesetze. Grundsätzlich setzt der Han- delnde sich durch sie also allen gegen sie angedrohten straf= und zivilrechtlichen Folgen aus. Mit Rück- sicht darauf aber, daß er tatsächlich ein Recht hatte, sich zu wehren, und daß es oft schwierig ist, dem plötzlichen Angriff gegenüber das richtige Ver- teidigungsmittel anzuwenden, entschuldigt das Gesetz von alters her den Täter, indem es ihm bei Notwehrüberschreitung eine mildere Strafe zu- billigt oder ihn gänzlich straflos läßt, wenn er in der Aufregung gehandelt hat. Die meisten Straf- gesetzbücher berücksichtigen jedoch nur Bestürzung, Furcht und Schrecken als Strafausschließungs- gründe, nicht auch die Leidenschaft, die doch eine natürliche Begleiterscheinung des Kampfes ist und notwendig durch ihn erzeugt wird. Das Wesen der echten Notwehr wird durch die infolge der Leidenschaft gesteigerte Kraftaufwendung nicht auf- gehoben, soweit das Ziel des Kampfes um das Recht der Sieg über das Unrecht ist. Trotzdem wäre es bedenklich, auch die Leidenschaft voll als Strafausschließungsgrund anzuerkennen. Es ge- nügt, wenn sie als strafmildernd berücksichtigt wird, wie es u. a. in dem R. St. G. B. 8 213 geschehen ist. Nicht unerwähnt mag dabei der Versuch neuerer Entwürfe von Strafgesetzbüchern bleiben, die Überschreitung der Notwehr ganz allgemein dann als unverschuldet anzusehen, wenn der Täter nur infolge des durch den Angriff herbeigeführten Mangels an Besonnenheit über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist. Begeht der Handelnde absichtlich, im Bewußtsein des Über- maßes seiner Gewalt, eine Notwehrüberschreitung, dann ist er wegen seiner bösen Absicht selbstver- ständlich verantwortlich. Entspringt die Über- schreitung nicht der bösen Absicht, dann kann sie doch noch auf ein Verschulden des Handelnden aus Fahrlässigkeit zurückzuführen sein, falls sich aus den Umständen ergibt, daß die pflichtmäßige Über- legung oder Aufmerksamkeit von dem Täter ver- nachlässigt worden ist. Eine solche Überschreitung wird zu ahnden sein, wenn das Gesetz mit Rück- sicht auf die fragliche Verletzung die Fahrlässigkeit überhaupt straft. — Nicht unter den Begriff der Notwehrüberschreitung gehört der Fall, daß je- mand, der sich rechtswidrig angegriffen glaubt, ohne es zu sein, zur Notwehr greift. Hier kommen lediglich die Grundsätze über den Irrtum in An- wendung.