Siebentes Kapitel „Die Hundert Tage Michaelis“ Jetzt hieß es, allen Optimismus zusammennehmen, um zu glauben, daß Michaelis entgegen üblen Voraussagen die nötige Einsicht und Tatkraft zeigen würde. Ich vertraute auf Herrn v. Kühlmann, der zum ersten VBerater des Kanzlers ausersehen war. Das Bagdad-Abkommen galt mit Recht als eine der diplomatischen Glanzleistungen der Vorkriegszeit. Ein zäher Wille hatte es endlich an den Abschluß herangebracht, als der Krieg ausbrach. Kühlmann war der Diplomat, dem das Hauptverdienst an diesem großangelegten Verständigungswerk zugeschrieben wurde. Viel kam darauf an, wie der neue Staatssekretär des Auswärtigen sich mit der Obersten Heeresleitung stellen würde. Oeider mußte ich bald nach meiner Abreise den Eindruck gewinnen, daß der Sinn der Obersten Heeresleitung sich wieder gegen die Sozialdemokratie zu verhärten begann. Haeften schrieb mir am 31. Juli: „..JIch fürchte, daß Herrn Mlichaelis) die wichtige, ja vielleicht zu- nächst wichtigste Aufgabe der Ausschaltung der Sozialdemokratischen Dartei als ausschlaggebenden Faktors unserer inner= wie außen- politischen Angelegenheiten kaum gelingen dürfte. Was aber dann? Dann stehen wir vor einer neuen inneren Krisis, deren Lösung meiner Ansicht nach unter keinen Amständen dem Parlament überlassen werden darf; darum ist es die Aufgabe der Krone, den Ausbruch einer solchen Krise durch vorbeugende, rechtzeitige Entschließungen zu verhindern. „Die Wiederkehr solcher Ereignisse, wie sie sich in der ersten Julihälfte abspielten, muß im Interesse der Staatsautorität unter allen Amstän- den verhindert werden; sonst würden wir einer allmählichen inneren Auflösung entgegengehen!....“ Die „Hundert Tage Michaelis“ gehören zu den Zeitabschnitten des Krieges, an die man nur mit bitterstem Herzeleid denken kann. Das „blutig vertrödelte Jahr 1916“" wurde nicht wieder eingeholt. Im Sommer und Herbst 1917 wurden nie wiederkehrende Gelegenheiten in der äußeren und inneren Politik vertan. 124