Drittes Kapitel Fortsetzung des Dialogs mit Lansdowne Von Beginn des Jahres an drangen schlechte Nachrichten über die Stimmung der Arbeiter in die Offentlichkeit. Die Sprache der Unab- hängigen wurde frecher, und man hatte das unheimliche Gefühl: der Sieg des Bolschewismus in Rußland stärkt allen denen in Deutschland das Rückgrat, die den Krieg stören wollen. Ich erhielt in der zweiten Januarhälfte den folgenden Bericht aus Berlin: „17. Januar 1918. .. Die innere wie die äußere Situation ist denkbar verworren. Wir haben militärisch noch nie so glänzend dagestanden. Wir haben einen wunderbaren Hintergrund für eine große politische Aktion. Der gute Moment wird aber wieder fruchtlos vorüberziehen. Die inneren Gegensätze hier sind nicht etwa nur rein sach- licher Natur, sondern es spielen sehr viele persönliche Momente mit binein. Auf der einen Seite ein starker leidenschaftlicher Wille, oft von einer dämonischen Ungeduld besessen, aber aufnahmefähig für alle ehrlichen Ratschläge und mit einer großen Kraft, sich selbst zu zügeln. Auf der anderen Seite eine. Kabinetts- politik, .. mit kleinen Mittelchen arbeitend, voller Furcht vor ihren natürlichen Bundesgenossen, unfähig, zu einer offenen Auseinandersetzung vor den anderen binzutreten — der einzige Weg, der zu einer Versöhnung führen würde. Die gegenwärtige Regierung kämpft die Wahlreform lahm durch. Ich erwarte furchtbare Zeiten. Zum erstenmal sehe ich in unserem Volke ein ugly temper. Unsere große Offensive wird militärisch enorm viel, politisch weniger erreichen, als heute erreichbar wäre. Unter dem Druck zerstörter Illusionen werden wir eine aufrührerische Stimmung erleben, im Gergleich zu der die Juli-Krisis ein Kinderspiel war Ich nehme nicht an, daß unsere Dynastien mit dem Sturz bedroht sind, aber die Monarchien müssen schließlich dahinsinken, wenn sie nicht durch Führerkraft ihren Beruf erweisen, zu herrschen. Die ideale Situation für die Monarchie wäre es, wenn sie im Gegensatz zu den erregten Golksleidenschaften einen Frieden brächte, gegen den die Demagogie protestiert und für den dann Generationen nachher noch dankbar sind. Dies wäre eine Führertat.. Ein Jammer, daß der Landrat v. Kardorff? nicht in die Reichskanzlei gekommen ist. Dann wäre wenigstens das Spiel im Innern gewonnen. Kardorff ist durchaus konservativ. Er sieht bei Verschleppung der Wahlrechtsreform den Generalstreik 1 Ich habe einige temperamentvolle Außerungen des Briefes gemildert. 2 Er war freikonservatives Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und sprach und stimmte für das gleiche Wahlrecht. 211