Oberst v. Haeften reiste am 11. August ins Hauptquartier,! um, wenn irgend möglich, seine Berufung abzuwenden. Der Reichskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen waren in Spa, da der Kaiser einen Kron- rat abhalten wollte.? Haeften fand General Ludendorff äußerlich ruhig, aber sehr ernst. Nicht der Geländeverlust, nicht die Aberlegenheit der von uns vernachlässigten Tankwaffe erschütterten ihn; seine ganze Natur war ja auf die Aberwindung von unerwarteten Schwierigkeiten eingestellt. Was den Feldherrn niederdrückte, war: Er hatte das Vertrauen zur „Moral“ seiner Truppe verloren, dem unentbehrlichen Element des Sieges. Luden- dorff sagte zu Haeften, es sei kein Verlaß mehr auf die Mannschaften, wir brauchten schleunigst den Frieden. Zur Defensive müßte die Armee viel kampffähiger sein als zur Offensive. Am nächsten Morgen drang er in Haeften, er möchte doch die ihm angetragene Leitung der deutschen Pro- paganda übernehmen; es sei jetzt keine Hoffnung mehr auf eine Offensive, die Führung habe den Boden unter den Füßen verloren. Es wäre jetzt von entscheidender Bedeutung, wenn die psychologischen Methoden gegen die englische Heimatfront in Anwendung kämen. Haeften entgegnete, in einer solchen Situation müsse schleunigst etwas für den Frieden getan werden, aber er beschwöre den General, jetzt keine Schritte von der Obersten Heeres- leitung aus zu tun, nun müsse die Regierung handeln. Er stellte die Frage: werde die Front halten, bis im Spätherbst die Offensive abflaut. Luden- dorff antwortete, er habe doch noch das Vertrauen, daß wir durchhalten. Haeften resümierte: So sei also noch für die politische Leitung Zeit, alle Maßnahmen zu treffen; die Oberste Heeresleitung müsse die Regierung aufklären und im übrigen kämpfen. Haeften erbat dann genaue Orientierung, die politische Leitung brauche Bewegungsfreiheit. Die glatte öffentliche Erklärung über Belgien sei nötig: Wiederherstellung der Souveränität und Integrität. Ludendorff war ein- verstanden. Während des Gesprächs kam Hindenburg herein, kurz vor der Be- sprechung mit Hertling und Hintze. Oberst v. Haeften hörte, wie sich der Generalfeldmarschall an Ludendorff wandte mit der Frage: Was soll ich den Herren sagen? und die Antwort erhielt: Die volle Wahrheit !s Und 1 ULber seine Unterredungen mit Ludendorff vgl. „Auszüge aus einem Ende 1918 der Obersten Heeresleitung erstatteten dienstlichen Bericht des Obersten v. Haeften über seine Tätigkeit 1918“. Untersuchungsausschuß Bd. 2, S. 369ff. 2: Vgl. Karl Graf v. Hertling, Ein Jahr in der Reichskanzlei, Freiburg i. B. 1919, S. 148 ff. 3 Bericht Haeftens, a. a. O., S. 371. 285