Viertes Kapitel Die zweite Wilson-Rote vom 14. Oktober Am 12. Oktober wurde bekannt, daß die „Leinster“ torpediert worden war, ein Passagierdampfer, der zwischen Irland und England verkehrte. Hunderte von Menschen kamen um, darunter viele Amerikaner und Mit- glieder der in England herrschenden Kreise, zum Teil im ganzen Lande bekannte Persönlichkeiten. Tagelang standen die Angehörigen am Strande, um die angeschwemmten Leichen zu identifizieren. Seit der „Lusitania“ waren in England und Amerika Trauer und Wut nicht so groß gewesen. Wir hatten zwar rechtzeitig die U. Boote von der amerikanischen Küste abberufen, aber leider verabsäumt, einer solchen Kata- strophe vorzubeugen, mit der nach Lage der Dinge gerechnet werden konnte. Unsere Diplomatie hatte gewarnt. Romberg aus Bern gab am 11. Ok- tober die Anregung eines Vertrauensmannes weiter, den unterwegs be- findlichen U. Bootkommandanten Schonung der Passagierdampfer an- zuempfehlen, sonst werde Wilson dem Entrüstungssturm nicht standhalten können.: Ein Privatbrief? vom 12. Oktober an Staatssekretär Solf unter- strich diese Warnung. „Das einzige, was zunächst wieder große Komplikationen schaffen könnte, wäre die womöglich gerade jetzt erfolgende Versenkung eines Schiffes mit amerikanischen Dassagieren usw. durch ein U. Boot. Bei dem Dech, das unsere Marine nun einmal hat, erscheint dieser Fall nicht unmöglich, Ein entsprechendes Telegramm ist gestern vom Herrn Gesandten an das Auswärtige Amt abgegangen.“ Solf hatte neue Instruktionen an die U. Bootkommandanten durchsetzen wollen, aber das Unglück mit der „Leinster“ war bereits geschehen, und Wil- son hatte den Grund oder Vorwand, um den Kriegshetzern zu Willen zu sein. Wir erwarteten stündlich die Antwort des Präsidenten. Wiederum eilten bedrohliche Nachrichten über ihren Inhalt voraus. Wilson habe sich den alliierten Militärs gefügt. Die Gewährung des Waffenstillstands werde von der Abdankung des Kaisers abhängig gemacht. 1 Bgl. Amtliche Urkunden Nr. 68. 2 Vgl. ebenda Nr. 69. 404