V. Gu Seite 497) Bericht des Generals v. Haeften „Nach Eingang der Wilson-Note am 24. Oktober habe ich dem Reichs- kanzler zwischen 10.30 und 11 Uhr vormittags Vortrag gehalten und hier- bei ausgeführt: Durch die Wilson-Note und durch die Außerung Noskes von der Notwendigkeit der Abdankung des Kaisers zur Erlangung günstiger Friedensbedingungen sei eine ernste Krise entstanden. Der Kaiser sei jetzt vor eine Entscheidung von ungeheurer Tragweite gestellt: Freiwillige Toronentsagung oder Kampf um seinen Thron. Falls der Kaiser abdanken wolle, müsse die amtliche Veröffentlichung der Wilson-Note aufgehalten werden, damit der Kaiser aus freier Initiative die Krone niederlege. Eine Abdankung unter dem Druck der Sozialdemokratie sei unmöglich. Wenn sich der Kaiser jedoch zum Kampf um seinen Thron entschließen solle, müsse mit der Bekanntgabe der Wilson--Note auch der Entschluß zum Abbruch der Verhandlungen und zur Fortsetzung des Kampfes bis zum Außersten der Offentlichkeit mitgeteilt werden. Ich beschwor! den Prinzen, sich für die letztere Lösung einzusetzen. Bei der unmittelbar an diesen Vortrag an- schließenden telephonischen Orientierung des Generals Ludendorff durch mich um 11.15 Uhr vormittags hat dieser die Forderung Wilsons, vor Friedensverhandlungen erst den Kaiser fortzujagen und die Armee kampf- unfähig zu machen, als eine unerträgliche Demütigung bezeichnet. Eine Abdankung des Kaisers könne nicht in Frage kommen; es gäbe nur eine Lösung: Abbruch der Verhandlungen mit Wilson und Kampf bis zum Außersten. Die Armee sei bereit, diesen Kampf für ihren Obersten Kriegs- herrn durchzukämpfen. Ich bat den General, möglichst bald mit dem Feld- marschall in Berlin einzutreffen. Dies sagte der General zu, er und der Feldmarschall würden heute nach Berlin reisen. Hiervon machte ich dem Prinzen Max Mitteilung, der durch mich die beiden Herren ersuchen ließ, ihre Reise zu verschieben, bis er sie nach Berlin rufen würde. Das lehnte der General Ludendorff ab mit der Bemerkung, er werde morgen in Berlin eintreffen, um dem Kaiser Vortrag über die militärische Lage zu halten. Dies teilte ich dem Prinzen mit. Bei einer in den Mittagsstunden stattfindenden internen Besprechung im Auswärtigen Amt gab ich dieser Auffassung des Generals Ludendorff 1 Haeftens Notizzetrel, auf die sich seine obigen Ausführungen stützen, enthalten den Vermerk: „. . . Reichskanzler beschworen, Abdankung abzulehnen, Entschluß, Fortsetzung des Kampfes "“ 671