minimal sein. Die Leiden des deutschen Volkes würden in der liberalen Presse sicher Erwähnung finden unter der sentimentalen Rubrik, unter der gegen die Vivisektion und für Albanien Stimmung gemacht wird. Aber die öffentliche Meinung würde nicht auf ein staatsmännisches Ret- tungswerk zur Neuordnung Europas drängen. And darauf kommt alles an. Gewiß, die Revision des Friedensvertrages würde auch nach der Unter- zeichnung kommen, aber sie würde planlos vor sich gehen. Aberall würden unterdrückte Menschen ihre Ketten sprengen. Europa würde zu einem Chaos von nationalen und sozialen Aufständen werden. Die enttäuschten Amerikaner rufen uns heute öffentlich zu: Die euro- päische Zivilisation verdient zugrunde zu gehen! An Europa ist es, in letzter Stunde Nein zu sagen, und wenn Amerika verzagt, die erlöschende Fackel aufzugreifen und sie neu zu entzünden. Ich fasse zusammen: Erstens: Der echte Wilson-Friede ist heute noch nicht verloren. Zweitens: Der Widerstand bei den feindlichen BVölkern gegen den Ver- sailler Vertrag ist stark. Anter mständen stark genug, um eine rechtzeitige und ausreichende Mevision zu ermöglichen. Drittens: Der Druck zur Revision ist um so stärker, je überzeugender Deutschlands Wille zum Aus druck kommt, nur einen Frieden zu unterzeichnen, der durch führbar ist und als Rechtsfrieden verteidigt werden kann. Viertens: Aber Deutschland muß darauf gefaßt sein, daß nach unzu- reichenden Konzessionen die Feinde ein Altimatum stellen und mit der schonungslosen Anwendung ihrer Machtmittel drohen. Fünftens: Auch dann bleibt die Verweigerung der Unterschrift unsere einzige Hoffnung auf eine rasche Revision des Vertrages. Wenn wir den Kampf ums ARecht abbrechen, so werden andere ihn nicht für uns weiterführen. Wenn aber Deutschland nur noch kurze Zeit die Entschlossenheit zeigt, lieber neue Leiden auf sich zu nehmen, als den Vertragsbruch von WVersailles zu zeichnen, so werden der Sache des Rechts in allen Ländern Bundesgenossen von ungeahnter Stärke er- stehen. Wir würden die verlorene Weltachtung wiedergewinnen. Es gibt nur diesen einen Weg zur Rettung, und wir müssen ihn gehen. 686