— 23 — der Verfassung gesteckten Grenzen rechtswirksam und dürfen den Rechtskreis des Bundesrates nicht überschreiten. Es herrscht Streit, darüber, ob der Geschäftsordnung der Charakter einer autonomen Satzung zukommt,) d. h., ob der Bundesrat das Recht der Autonomie hat. Von der Gegenseite wird geltend gemacht, daß eine dem Art. 27 S. 2 Reichspverf. entsprechende Vorschrift für den Bundesrat fehle. Daraus läßt sich m. E. aber nicht herleiten, daß ihm dieses Recht nicht zu- stehe.5) Diese Befugnis ist wohl als selbstverständlich ange- sehen und deshalb nicht erwähnt worden; denn als Reichsorgan mit selbständiger Persönlichkeit darf der Bundesrat seinen Ge- schäftsgang und seine Verfassung selbständig bestimmen. § 4. Der Vorsitz im Bundesrate. I. Wie jedes andere Kollegium bedarf der Bundesrat eines Vorsitzenden. „Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.“ ) 1. Was an dieser Bestimmung zunächst auffällt, ist die Stellung der Worte „im Bundesrate", die natürlicherweise hinter „die Geschäfte“ eingeschaltet worden wären. :2) Sollte 7) Dieser Ansicht sind v. Rönne, Staatsr. I, S. 208, Verf.-Recht, S. 151; Schulze, Lehrb. II, S. 64; Herwegen, S. 48; Hänel, Staatsr. 1, S. 337; Querfurth, S. 22. 8) A. A. Vogels, S. 19. — Dies hat auch der Reichskanzler bestätigt. (Sten. Ber. des konst. Reichstags 1867 I, S. 355, Sp. 1.) 1) Art. 15, Abs. 1 Reichsverf. — Ernennung und Entlassung des Kanzlers stehen im freien Ermessen des Kaisers, der hierin nicht an Bundes- rat, Reichstag oder Einzelstaaten gebunden ist. Hier liegt der große Unter- schied zum parlamentarischen Regierungsprinzip, wo die Regierung nur ein Ausführungsausschuß des Parlaments ist. Ebenso ist über Vorbildung und anderweitige persönliche Eigenschaften des Reichskanzlers keine Bestimmung getroffen worden, sodaß der Kaiser in seiner Auswahl auch in dieser Hin- sicht in keinerlei Weise gesetzlich an einen bestimmten Personenkreis ge- bunden ist. 2) Eine derartige Fassung war von dem Abg. v. Bennigsen (Anl. 1867 Nr. 48, S. 56) beantragt worden, der damit bezweckte, einem Reichsministe- rium Platz zu schaffen, weshalb der Antrag bei dem Widerstreben Bismarcks abgelehnt wurde. (Vgl. die Ausführungen Bismarcks in der Reichstags- sitzung vom 27. März 1867, Sten. Ber., S. 888.)