Einführung. Europäer verschiedener Nationalitäten werden noch in Jahren nicht zu einer Verständigung über das Pro- blem der Ursachen des Weltkrieges gelangen. Für den einen bleibt es der deutsche Militarismus, den anderen der französische Rachegedanke, für jenen ist es briti- scher Handelsneid und diesen russisch-slawischer Erobe- rungsdrang und dergleichen mehr. Selbst über den Kriegs- anlass ist eine Einigung nicht zu erzielen. Besteht er für einen Teil der europäischen Meinung in der Bluttat von Serajewo und den ihr zugrunde liegenden panserbischen und panslawistischen Bestrebungen, so für die anderen, die über diese Tat ruhig hinweggleiten, in der « österreichisch- deutschen Provokation», wie sie das Ultimatum an Serbien darstellen soll. Und die Erweiterung des Krieges zwischen den Festlandmächten durch das Hineintreten Englands fügte neue Möglichkeiten geschichtlicher Auslegungen hinzu. ¹) Aber über der Frage der tieferen Ursachen und problematischen Anlässe, unter Ausschaltung aller Ge- schichtsphilosophie und kleinlich peinlicher Bewertung der äusseren Ereignisse, besitzen wir eine Tatsache, an die wir uns klar und fest halten können, die Tatsache, dass der Weltkrieg 1914— 1915 aus den Verhandlungen in den Monaten Juli und August des Jahres 1914 hervorgegangen ist. Das ¹) Das Eintreten der Türkei und Italiens in den Krieg kann in dieser Arbeit natürlich nicht berücksichtigt werden. Der Kriegsein- tritt dieser Staaten fand statt, als der Weltkrieg bereits wütete. Mit den europäischen Kriegsverhandlungen der Monate Juli und August hat jene Kriegserweiterung nichts zu tun. Damit soll natürlich nicht verkannt werden, dass Fragen der türkischen und italienischen Politik bereits während der Verhandlungen unter den übrigen Mächten von gewissem Einfluss auf die Entscheidungen Russlands, Frankreichs und auch Englands waren.