Vierundzwanzigstes Kapitel. Culturkampf. 1. In Versailles hatte ich vom 5. bis 9. November mit dem Grafen Ledochowski, Erzbischof von Posen und Gnesen, Ver- handlungen gehabt, die sich vorwiegend auf die territorialen Interessen des Papstes bezogen. Gemäß dem Sprichwort „Eine Hand wäscht die andre“ machte ich ihm den Vorschlag, die Gegenseitigkeit der Beziehungen zwischen dem Papste und uns zu bethätigen durch päpstliche Einwirkung auf die fran- zösische Geistlichkeit im Sinne des Friedensschlusses, immer in Sorge, wie ich war, daß eine Einmischung der neutralen Mächte uns die Früchte der Siege verkümmern könne. Ledochowski und in engern Grenzen Bonnechose, Cardinal-Erzbischof von Rouen *) , machten bei verschiedenen Mitgliedern des hohen Clerus den Versuch, sie zu einer Einwirkung in dem bezeich- neten Sinne zu bestimmen, hatten mir aber nur von einer kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte zu berichten, woraus ich entnahm, daß es der päpstlichen Macht entweder an Stärke oder an gutem Willen fehlen müsse, uns im Sinne des Friedens eine Hülfe zu gewähren, werthvoll genug, um N) Als ich in den kleinen Salon eintrat, roch ich Weihrauch, der durch die schlecht schließende Thür auch in das anstoßende Arbeitszimmer der Räthe gedrungen war. Ich weiß nicht, ob der Exorcismus mir gegolten hat oder der Jessé'ischen Teufelsfigur, mit welcher die auf dem Kaminsims stehende Uhr verziert war. 1) Ueber seine Unterhandlungen mit Bismarck am 13. und 14. Febr. 1871 vgl. Besson, La vie du Cardinal de Bounechose (Paris, Retaux- Bray, 1887) II 142 ff. Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 10