II. Abschnitt: Das Reich und die Bundesstaaten. 59 4. Kapitel. Der Sitz der verbündeten Regierungen. Während sonst in den meisten —A— (im weitesten Sinne des Wortes) die Residenz bestimmt ist, ist hierüber weder in den Bündnis-Verträgen noch in der Reichsverfassung irgend welche Bestimmung getroffen. Es ist nicht selbstverständlich, daß Berlin, der Sitz des Prä- sidiums, die deutsche Haupt= und Residenzstadt ist. Die Erklärung einer Stadt zur Residenzstadt ist eine Angelegenheit, die durch ein Verfassungs- gesetz zu erledigen ist. Im Hinblick auf § 49 und 76 der Straf-Prozeß- Ordnung und § 382 und 402 der Zivil-Prozeß-Ordnung ist die Be- stimmung dieses Sitzes von Bedeutung. 5. Kapitel. Die Kompetenz des Reiches. I. Im Allgemeinen. Die Eingangsworte der Reichs-Verfassung sprechen sich im all- gemeinen bezüglich des Zwecks des Bundes dahin aus, daß der Bund geschlossen sei zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb des- selben gültigen Rechts, sowie zur Wohlfahrt des deutschen Volkes. Die Bundesgewalt ist in der Folge mit den Befugnissen ausgestattet worden, welche für die Wohlfahrt und Macht des Bundes unentbehrlich, aber auch ausreichend sind. (Sten. Bericht 1867, S. 388½ u. 733 -.) Diese Befugnisse sind in Reichs-Verfassung Art. 2, 3, 4 des Näheren bezeichnet. Das Reich kann aber diesen Kreis ausdehnen und verengern. Es ist zwar hiezu eine Verfassungsänderung nötig, allein der Zustimmung der Einzel-Landtage bedarf es nicht. Dies ist in nachstehenden Reden bestätigt. In der Sitzung der württembergischen Kammer der Abgeordneten vom 23. Dezember 1870 (Sten. Bericht S. 45) sagte Minister v. Mittnacht: „Im übrigen gehen nun alle kontrahierenden Teile davon aus, daß man unter der Veränderung der Reichs-Verfassung, die der jetzige ser 5 der Reichs-Verfassung erwähnt, auch Kompetenzerweiterungen versteht.“ In der bayerischen Abgeordneten-Kammer erklärte am 16. De- zember 1871 (Sten. Bericht S. 112) der Justizminister v. Lutz: „Sie erinnern sich, daß früher im Norddeutschen Bunde eine Kontroverse darüber bestanden hat, ob zu Kompetenzerweiterungen jeder einzelne Landtag wieder zustimmen müsse. Es war nicht einmal, sondern zehn und zwanzig Mal bei der Verhandlung in Verseilles davon die Rede, daß diese Kontroverse aus der Welt geschafft werden müsse und nicht der bayerische Vertreter allein, sondern auch die Ver- treter aller anderen Staaten konnten sich schließlich der Ueberzeugung