Zweiter Teil. B. Dogmatischer Teil. § 3. Rechtliche Matur des deutschen Reiches und der Erekution. Da für die Beurteilung eines jeden Rechtsverhältnisses oder Rechts- satzes die Entstehung desselben von wesentlicher Bedeutung ist, so müssen wir zunächst einen kurzen Blich auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung werfen. Dabei werden wir uns jedoch auf Hervorhebung derjenigen Momente beschränken, welche für die staatsrechtliche Beurteilung von maßgebendem Einfluß sind. Die Erweiterung des norddeutschen Bundes zum deutschen Reiche ist erfolgt durch den Eintritt der süddeutschen Staaten in den nord- deutschen Bund; das Reich erscheint also als eine Fortsetzung dieses Bundes und repräsentiert trotz der Verschiedenheit des Namens mit ihm dasselbe Rechtssubjeht. Der Beitritt der süddeutschen Staaten zu der Verfassung des norddeutschen Bundes und die Abänderungen, welche dieselbe gelegentlich dieses Beitrittes erfahren hat, sind auf rein ver- tragsmäßigem Wege unter den Regierungen vereinbart worden..) Um den Verfassungsbestimmungen, welche in diesen Verträgen vom No- vember 1870 zerstreut waren, eine geordnete Zusammenstellung und einen gleichmäßigen Ausdruch zu geben, war eine neue Redaktion der Bundesverfassung erforderlich. Bundesrat und Reichstag einigten sich über eine neue Redaktion der Bundesverfassung, welche unter dem Namen „Verfassungsurkunde für das deutsche Reich“ durch Gesetz vom 16. April 1871 im Namen des Reiches publiziert wurde. Aber auch diese neue Redaktion hat die vertragsmäßige Grundlage als fortdauernd anerkannt; ihr Eingang stimmt fast wörtlich mit dem der norddeutschen Bundesverfassung überein. Nur eine einzige Abweichung ist vorhanden, 1) Gleiche Ansicht Ochulze ll HS. 1 fg. Gefscken S. 10. G. Meyer SÖ. 168. Arndt S. 32. Laband I S. 83 fga. Hänel S. 51. Rönne S. 57. Mohl H. 51.