10 Verfassungs- und Rechtsstaat. Staatsrechtlich war es eine vollkommene Neuschöpfung.!) Die Verfassung beruhte auf dem Prinzip der Volkssouveränität: Herrscher im Staat ist die souveräne Gesamtheit; dies Prinzip war nicht nur Theorie, sondern praktisch wirksam. Regelmäßig regierte die Gesamtheit freilich durch ihre Organe Senat und Bürgerschaft; bei wichtigen Fragen aber erschien sie selbst auf dem Plan, um die letzte Entscheidung zu geben. Bei der Wahl der Senatsmitglieder hatte die Bürgerschaft überwiegenden Einfluß. Die Bürgerschaft selbst bestand aus 300 Mitgliedern, die durch direkte Wahlen aller Bürger auf vier Jahre gewählt wurden. Bei der Gesetzgebung und Verwaltung wirkten Senat und Bürgerschaft regelmäßig zusammen; konnten sie über die Zweckmäßigkeit einer Maßregel nicht überein- kommen, so sollte die Gesamtheit in Konsequenz ihrer Souveränität durch einen Ausschuß von dreizehn Mitgliedern entscheiden; ebenso sollte bei Meinungsverschiedenheiten über eine vorzunehmende Ver- fassungsänderung die Gesamtheit dreihundert Bürger zur Erledigung wählen. Am letzten Ende war also der Senat auf ein suspensives Veto beschränkt und bildete trotz seiner Lebenslänglichkeit kein wirk- sames Gegengewicht gegen wechselnde Einflüsse von unten. 4. Die Revision der Verfassung von 1840. Ungefähr drei Jahre stand diese Verfassung von 1849 in Geltung. Inzwischen war draußen im übrigen Deutschland die Reaktion ein- getreten; der Bundestag war wieder aufgelebt und bot dem Senat eine Stütze gegen die Bürgerschaft, in der nach der gemäßigten Konstituante immer mehr die radikalen Elemente die Oberhand gewannen. Bereits im Frühjahr 1851 beantragte der Senat bei der Bürgerschaft eine Revision der Verfassung, da die gegenwärtigen Zustände zu Mißständen im Innern und zur Einmischung des deutschen Bundes führen müßten. Die Bürgerschaft lehnte ab. Ein Beschluß der Bundesversammlung vom 23. August 1851 forderte die Regierungen auf, „die in den einzelnen Bundesstaaten namentlich seit dem Jahre 1848 getroffenen staatlichen Einrichtungen und erlassenen gesetzlichen Bestimmungen einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen und dann, wenn sie mit den Grundgesetzen des Bundes 1) oben 81 S. 2.