— 115 — stimmung der Volksvertretung, welche Vermutung durch die Ver- sagung der Genehmigung widerlegt ist, sondern auf eigenem ver- fassungsmäßigen Rechte des Monarchen. Die Notverordnung verliert daher nicht nach rückwärts ihre Wirkung, sondern tritt erst durch die Zurücknahme außer Kraft. Alle unter ihrer Herrschaft vor- gefallenen Tatbestände sind daher nach der Notverordnung zu beurteilen. Neben der Notverordnung bleibt auch das Indemnitätsber- fahren nicht ausgeschlossen, wo sie rechtlich oder tatsächlich un- möglich sein würde. Namentlich kommen in dieser Hinsicht Etats- überschreitungen in Betracht. III. §5 30. Die richterliche Gewalt. Recht und Gericht stehen nach altdeutscher Auffassung im engsten organischen Zusammenhange miteinander. Die Rechts- ordnung, im wesentlichen auf dem Herkommen beruhend und das Privat-, Straf= und Prozeßrecht umfassend, gilt als das angeborene Recht des freien Mannes und ist der einseitigen Abänderung durch die Obrigkeit entzogen. Soweit die Rechtsordnung reicht, hat die Obrigkeit auch nicht die Rechtsanwendung. Der Vertreter der Obrigkeit, der Richter im altdeutschen Sinne, hat nur das Gericht zu halten, d. h. die Parteien zu laden, den Vorsitz zu führen und schließlich das Urteil zu vollstrecken. Die Fällung des Urteils ist Sache der Gerichtsgemeinde, als deren Vertretung seit der karo- lingischen Skabinenverfassung die Schöffen auftreten. So liegen Rechtssatzung wie Rechtsfindung außerhalb der Aufgaben der Obrigkeit. Die spätere ständische Zersplitterung hat an diesen Grund- lagen nichts geändert. Das gemeine Volksrecht löste sich aller- dings auf in ein Recht der einzelnen Stände. Und wo ein eigenes Standesrecht sich entwickelt hatte, löste sich der Stand auch los aus dem gemeinen Volksgerichte und bildete sich ein eigenes Standesgericht für Geistlichkeit, für hohen und niederen Adel und für die Städte. Wie das alte Volksrecht zum Bauernrechte, wurde das Volksgericht zum Bauerngerichte, soweit die Bauern nicht nach 8*