— 151 — deutschen Landesstaatsrechts. Alle Rechte der Staatsgewalt waren da vereinigt in der physischen Person des Monarchen, so daß jedes staatliche Recht und jede staatliche Pflicht in letzter Linie auf ihn zurückging. Jeder Staatsakt des Reiches belehrt uns, daß dem im Reiche nicht so ist. Jedes Reichsgesetz wird vom Kaiser verordnet im Namen des Reiches, jeden Regierungsakt nimmt er vor im Namen des Reiches. Er tritt also hier nicht im eigenen Namen auf, sondern gewissermaßen wie der Regent im Einzelstaate im Namen des eigentlichen Inhabers der Staatsgewalt. Jedes Reichsgerichtsurteil trägt die Eingangsformel: Im Namen des Reiches. Überall tritt uns also auf die Frage nach dem eigentlichen Inhaber der Reichs— staatsgewalt die Antwort entgegen: Eben das Reich. Das fördert uns freilich zunächst sehr wenig. Es ist, als ob wir die Frage nach dem Inhaber der preußischen Staatsgewalt dahin beantworten wollten, es sei der preußische Staat. Es steht bisher nur fest, daß der Kaiser nicht Inhaber der Reichsstaatsgewalt ist, doch nicht, wer es ist- Für das Reich hat die Reichsverfassung vereinzelt eine andere Formel: Die verbündeten Regierungen. Das Reich ist nichts anderes als die Gesamtheit der Einzelstaaten in ihrer korpora- tiven Zusammenfassung zu dem neuen staatlichen Rechtssubjekte des Reiches. Deshalb sagte Bismarck mit Recht: Die Staats- gewalt des Reiches ruht in der Gesamtheit der verbündeten Re- gierungen, d. h. der Staaten. Wie die Staaten durch ihre ge- schichtliche Tat das Reich begründet haben, so sind sie, verbunden, auch Inhaber der Reichsstaatsgewalt geworden. Was der Einzel- staat an Rechten aufgegeben hat zugunsten des Reiches, das hat er auf der anderen Seite wieder gewonnen als Mitträger der deichsstaatsgewalt und durch größere Sicherung der verbliebenen einzelstaatlichen Rechte. Aus dem korporativen Charakter des Reiches folgt auch die besondere Natur seiner Verfassung. Die Einzelstaaten haben mit dem Ubergange zum konstitu- tionellen Systeme ihr öffentliches Recht durch ihre Verfassungen zum Teil neu geregelt. Aber die Staaten sind älter als ihre Ver- fassungen. Die Befugnisse der Träger der Staatsgewalt brauchen