— 169 — Die Formalrechte der Adrefse, der Interpellation und der Enquete sind dem Reichstage im Gegensatze zu den einzelstaatlichen Volksvertretungen nicht ausdrücklich verfassungsmäßig beigelegt. Doch hat sie auch der Reichstag unbeanstandet für sich in An— spruch genommen. Er konnte das um so eher, als es sich um keine wirklichen Rechte, sondern um Betätigungen wesentlich poli- tischer Bedeutung handelte. Wesen und Tragweite sind dieselben wie im Einzelstaate (vgl. § 21). Kapitel III. Die Junktionen des Reiches. 42. Die Keichegesetzgebung. Im Gegensatze zum Landesstaatsrechte ist bei den Funktionen des Reiches das Gesetz an die Spitze zu stellen. Denn der Bundesstaat ist entstanden mit seiner Verfassung, also einem Ge- setze. Und alle Betätigung der Reichsgewalt, auch in Regierung und Rechtsprechung, muß somit auf das Gesetz zurückgehen. Die Gesetzgebung ist daher Grundlage und Ausgangspunkt der Funk- tionen des Reiches überhaupt. Die Reichsverfassung faßt das Wesen des Gesetzes rein formell auf. Sie besagt in Art. 5, wie die Reichsgesetzgebung ausgeübt wird, während der Inhalt der Gesetzgebung anderweit festzustellen ist. Inhaber des Gesetzgebungsrechts ist natürlich wie aller Rechte der Reichsgewalt das Reich selbst. Doch das Reich als Gesamt- persönlichkeit kann nur handeln durch seine verfassungsmäßigen Organe, Bundesrat, Kaiser und Reichstag. Dabei gibt das ge- schriebene Verfassungsrecht keine klare und erschöpfende Darstellung des Vorganges der Gesetzgebung. Das Gewohnheitsrecht spielt hier eine sehr große Rolle. Das hängt damit zusammen, daß nach der ursprünglichen Anlage der Bundesverfassung nur zwei ver- fassungsmäßige Organe Bundesrat und Reichstag, vorhanden waren, das Kaisertum erst nachträglich dazwischen geschoben wurde und sich Geltung verschaffte.