— 177 — der Landeskirche der alten Provinzen die Durchführung der Union befürchtete. Die oberste Verwaltung blieb vorläufig dem Kultus- ministerium. Doch wurde auch hier die Konsistorialverfassung durch synodale Einrichtungen ergänzt. Das Territorialsystem ist damit allgemein preisgegeben. An die Stelle der polizeistaatlichen Bevormundung ist die Anerkennung derirchen als selbständiger Organisationen getreten, doch unter Wahrung einer gesetzlich geregelten Kirchenhoheit des Staates. § 43. Heutige Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Die Rechte des Staates gegenüber der Kirche führte man früher zurück auf drei Befugnisse, das Ius reformandi, ursprüng- lich die Befugnis, die Reformation einzuführen, dann die, den Religionsgemeinschaften überhaupt ihre Stellung anzuweisen, das Ius advocatiae, das Schutzrecht über die Kirche, und das lus supremae inspectionis, eine allgemeine polizeiliche Aufsicht. Bei der Vielgestaltigkeit modernen Kultur- und Rechtslebens reicht diese Dreiteilung nicht mehr aus. Sie erscheint auch unzureichend, gegenüber der eingehenden gesetzlichen Regelung. Ausgangspunkt ist allgemeine Religions= und Gewissens- freiheit, die jetzt reichsgesetzlich anerkannt ist in dem Bundes- gesetze vom 3. Juli 1869. Jeder kann glauben, was er will, und dieser religiösen Uberzeugung nach Ausdruck geben. Dafür gibt es nur die Schranken des Strafrechts. Auch der Atbheist darf sich nicht der Gotteslästerung, auch der Muselmann und Mormone nicht der Bigamie schuldig machen. Alle Organisation der religiösen Gemeinschaften gehört da- gegen hauptsächlich dem Landesrechte an. Mehrere Personen derselben religiösen Überzeugung können sich zu einer Religionsgesellschaft zwecks gemeinsamer Religions- übung in Vereine und in Versammlungen verbinden. Das ist ein reiner Privatverein, eine Gesellschaft ohne juristische Per- sönlichkeit. Der Staatsaufficht bleibt der Verein unterworfen allein vom Standpunkte der Vereinspolizei nach Maßgabe des Bornhak, Grundriß des Verwaltungsrechts. 3. Aufl. 12