82 Dagegen ist inhaltlich die richterliche Gewalt keine besondere Staatsfunktion. Es handelt sich um die Anwendung der allgemeinen Zivilrechts- oder Strafrechtsnorm durch die im richterlichen Urteile enthaltene tatsächliche Anordnung. Diese Tätigkeit hebt sich nur formell aus der vollziehen- den Wirksamkeit anderer Staatsorgane heraus, durch die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit gegenüber dem Monarchen, durch die verwaltungs- rechtliche gegenüber den Organen der Justizauf- sicht und durch die prozeßrechtlichen Formen des Verfahrens unter Anhörung und Mitwirkung der Parteien. Das alles betrifft aber nicht den Inhalt der Entscheidungen. Das ursprüngliche Gebiet der Rechtsprechung war die Anwendung des Privatrechtes in der Form des Zivilprozesses und die Anwendung des Straf- rechtes in der Form des Strafprozesses, weshalb man beide zusammen auch als die ordentliche Gerichtsbarkeit bezeichnet. Dazu kamen einzelne Verwaltungsgeschäfte, die nach deutscher Über- lieferung von den Gerichten in richterlicher Un- abhängigkeit als freiwillige Gerichtsbarkeit er- ledigt wurden. Den Bedürfnissen des Rechts- staates entsprechend dehnte sich jedoch im 19. Jahrhundert die Rechtsprechung in besonderen Formen weit über dieses ursprüngliche Gebiet aus. Namentlich entstand eine eigene Verwaltungs- gerichtsbarkeit zum Schutze der individuellen Sphäre gegenüber Übergriffen der Verwaltung. Indem sich das Gebiet der Rechtsprechung in den verschiedensten Formen stetig ausdehnt, wird jede grundsätzliche Abgrenzung unmöglich. Es be- darf immer der Prüfung des einzelnen Falles, ob irgendein Weg der Rechtsprechung gegeben ist.