I. KAPITEL Rumpenheim » Königin Alexandra von England und Kaiserin Maria Feodorowna von Rußland als Kinder - Bildungsideal des Vaters: Bibel und Kernlieder, Homer und Goethe « Im Frankfurter Gymnasium -» Die Israeliten in Frankfurt - Die Familie Rothschild icht gar zu weit von Frankfurt entfernt liegt das hessische Schloß Rumpenheim. Dort regierte vor bald siebzig Jahren Landgraf Wilhelm von Hessen, der in dänischen Diensten gestanden und es bis zum dänischen General der Infanterie gebracht hatte. Er war der Neffe des 1836 ver- storbenen Landgrafen Karl, der eine gewisse Rolle in der dänischen Ge- schichte gespielt hat. In meiner Bibliothek stehen dessen Denkwürdig- keiten, die, als Manuskript unter dem Titel „Memoires de mon temps“ ge- druckt, heute längst vergessen, auch im Buchhandel vergriffen sind. Ein schmales Bändchen, das, dem Brauch der alten Zeit entsprechend in fran- zösischer Sprache geschrieben, nicht uninteressante Aufschlüsse über die Tragödie des Abenteurers Struensee enthält. Landgraf Wilhelm war ver- mählt mit der Prinzessin Louise Charlotte von Dänemark, einer Schwester des dänischen Königs Christian VIII. Seine Tochter Luise war die Ge- mahlin des Prinzen Christian von Holstein-Glücksburg, der durch das Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 zum Nachfolger des kinderlosen Königs Friedrich VII. im Gesamtstaat Dänemark bestimmt wurde. Meine Eltern besuchten häufig Rumpenheim, und manchmal durfte ich sie begleiten. Dann spielte ich dort mit den anmutigen Töchtern des Prinzen Christian. Die ältere, Alexandra, die spätere Gemahlin des Königs Eduard VII. von England, war ein schönes, schlankes Mädchen. Sie hat ihre wunderbare Taille und ihren leichten, schwebenden Gang bis in ein hohes Alter bewahrt. Wenn ich später die Ehre hatte, ihr zu begegnen, neckte sie mich damit, daß ich sie bei unseren kindlichen Spielen, Kreisel, Reifen und Kämmerchenvermieten, bisweilen gepufft und sogar gekratzt hätte. Ich mußte wahrheitsgemäß erwidern, daß ich die Ehre gehabt hätte, von der reizenden Prinzessin gelegentlich unsanft behandelt zu werden. Die Prinzessin Dagmar, die spätere Kaiserin Maria Feodorowna von Rußland, war lebhafter und wohl auch intelligenter als ihre um drei Jahre ältere 29 Im landgräf- lichen Schloß Die Prin- zessinnen von Glücksburg