XXXIX. KAPITEL Besuch Herbert Bismarcks in Paris » Von Herbert Bismarck nach London eingeladen Botschafter Graf Münster » Mr. Gladstone » Vermählung Adolfs von Bülow in Nien- stedten (1. VII. 1884) - Versetzung nach St. Petersburg »- Bei Fürst Bismarck in Varzin eitdem ich zum Ersten Sekretär der Pariser Botschaft befördert worden war, hatte sich mir in steigendem Maße das Interesse von Holstein zugewandt. Herbert Bismarck sagte mir einmal über Holstein in jener Zeit, wo beide intim befreundet waren: „Holstein besitzt ungemein viel Flair. Ob ein junger Diplomat ‚a rising man* ist oder nicht, fühlt Holstein, bevor der Betreffende sich selbst darüber klar ist. Auch das macht ihn meinem Vater wertvoll.“ Holstein interessierte sich nicht nur für meine Bericht- erstattung, für meine dienstliche Tätigkeit, sondern auch menschlich suchte er mir näherzukommen. Als ich nach meinem Avancement auf Urlaub nach Berlin kam, lud er mich zu Borchardt ein. Während wir vorzüglichen Rotwein tranken (Holstein war ein Feinschmecker), setzte er mir ausein- ander, daß er für mich beinahe väterliche Gefühle hege. Mein Vater habe mich ihm nicht lange vor seinem Tode anvertraut. „Wenn ich nicht mehr bin“, habe er zu ihm gesagt, „so halten Sie Ihre Hand über meinen ältesten Sohn.‘ Holstein sagte mir das mit einem 'Tremolo in der Stimme. Ich glaube, er hatte sogar eine Träne im Auge. Ob etwas Wahres an der ganzen Geschichte war? Ich möchte es bezweifeln. Mein seliger Vater würdigte die große Begabung von Holstein, seine Sprachkenntnisse, seine Schlagfertigkeit, seine eminente Arbeitskraft, vor allem seinen politischen Scharfsinn. Vertrauen hatte er nicht zu dem Geheimrat Fritz von Holstein. Im Mai 1884 aus Algier nach Paris zurückgekehrt, erhielt ich einen Brief von Herbert Bismarck, der damals der Kaiserlichen Botschaft in London als Erster Sekretär zugeteilt war. Er zeigte mir seine bevor- stehende Ankunft in Paris an, wo er acht fidele Tage verleben und mich einmal wiedersehen wolle. Ich fand ihn bei seinem Eintreffen in weit besserer Stimmung als zwei oder drei Jahre früher, wo er noch ganz unter dem Eindruck seiner unglücklich verlaufenen Leidenschaft für die Fürstin Elisabeth Carolath gestanden hatte, mit aller Welt und am meisten mit sich selbst unzufrieden war und alles in grau sah. Jetzt erstaunte er mich 359 Interesse Holsteins Herbert Bismarck ın Paris