— 365 — nach Auflösung desselben die öffentliche Fürsorge in Anspruch genommen hat, so erübrigt nur noch auf den zweiten Einwand des Verklagten einzugehen. Auch dieser ist unbenründet. Da 2. N. un- bestritten krank war, als er um Krankenpflege nachsuchte, und keine Miitel besaß, um sich letztere selbst zu verschaffen, so mußte er nach §. 28 des Reichsgesetzes vom Kläger unterstützt werden Eine Verweisung desselben an den Armenverband seines Heimathortes, wie sie Verklagter der Sach lage entsprechend findet, ist im Falle festgestellter Hilfsbedürfrigkeit unslatthaft, weil der Vorschrif des §. 28 cit. zuwiderlaufend, welche den Armenverband des Aufenthaltsortes verpflichtet, Oilfs- bedürftigen die erforderliche Unterstützung vorläufig selbst zu gewähren. – Ueber die thatsächlichen Voraussetzungen, unter welchen das Verbleiben Auszuweisender am Aufenthaltsorte angeordnet werden kann, hat sich das Bundesamt für das Heimathnesen in Sachen des Ortsarmenverbandes der Gemeinde Strößwitz wider den Ortsarmenverband der Stadt Leipzlg in dem Erkenntniß vom 27. Oktober 1873, wie folgt, ausgesprochen: Dem Verklagten, welchem unbestritten die Fürsorge für die wegen dauernder Hilfsbedürftig- keit in Leipzig mit laufender Armenunterstützung versehene Wittwe N. N. nebst Kind und Stief- kindern obliegt, steht nach §. 32 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 das Recht zu, die Ueber- führung der Familie in seine eigene Fürsorge zu verlangen, sofern nicht mit der Ueberführung er- bebliche Härten oder Nachtheile in Sinne des §. 56 desselben Gesetzes für die Familie verbunden sind. Mit Unrecht hat die angefochtene Entscheidung die Voraussetzung des §. 56 cit. im vor- legenden Falle für zutreffend erachtet und dem Antrage des Klägers auf Belassung der Familie N. N. in Leipzig stattgegeben. ’ Als eine erhebliche Härte im Sinne des Gesetzes kann es an sich nicht betrichtet werden, daß die Familie durch ihre Uebersiedelung nach Strößwitz aus den gewohnten in neue Lebensverhältnisse versetzt wird. Dieses Moment ist nicht Ausschlag gebend, weil außerdem das Gesetz die Belassung am Aufenthaltsorte zur Negel und nicht zur Ausnahme gemacht haben würde. Es kommt darauf an, ob dle Familie N. N. durch ihre Versetzung in neue Lebensverhältnisse erhebliche Nachtheile besonderer Art erleidet. Dles ist vom Kläger, welchem der Beweis oblag, nicht dargethan. Was zunächst die Erwerbsverhältnisse betrifft, so sind dieselben in Leipzig für die Wittwe N. N. keineswegs günstig, da dieselbe nach ihrer vom Kläger selbst produzirten Aussage, abgesehen von dem sicherlich nur geringen Ueberschusse, den die Pflege eines Ziehkindes bei einem Pflegegeld von wöchentlich 27 Sgr. abwirft, bisher nur 20 Sgr. wöchentlich zu verdienen im Stande war, wäh- rend sie 60 Thlr. jährlich für Mlethe auszugeben hatte. Daß sie in Strößwitz durch ihrer Hände Arbeit noch weniger als in Leipzig verdienen wird, dafür fehlt jeder Anhalt; wohl aber ist aus- gemacht, daß sie dort weniger für Lebensmittel und gar nichts für Miethe auszuwenden haben wird. Auch die vom ersten Richter befürchteten Nachtheile des Ortswechsels für die Erziehung der Kinder sind nicht konstatirt; sollte der Schulunterricht in Strößwitz in der That schlechter sein, als in Leipzig, so wird dieser Nachtheil durch anderweitige unverkennbare Vortheile der Erziehung auf dem Lande ausgeglichen. Endlich ist das der Wittwe N. N. in Aussicht gestellte Wohnen im Armenhause im Allgemeinen kein Uebel von solcher Bedeutung, wie die angefochtene Entscheidung annimmt; besondere lokale Mißstände, welche die Unterbringung im Armenhause zu Strößwitz als eine Härte erscheinen lassen könnten, sind vom Kläger nirgend angeführt, im Gegentheil hat Kläger der vom Verklagten ent- worsenen günstigen Darstellung der lokalen Verhältnisse nicht widersprochen. Wohl aber würde es als ein erheblicher Nachthell anzusehen sein, wenn die Uebersiedelung der Familie N. N. nach Strößwitz nothwendig eine Trennung der Stieskinder von der Stiefmutter bedingte, welche sich der Erziehung dieser Kinder bisher, wie bezeugt, mit Liebe und mit Erfolg unterzogen hat. Eine solche Trennung steht jedoch nicht in Aussicht, wenn die ganze Familie, wie