— 185 — daß die S., welche, wie — auch durch Zeugenaussagen konstatirt ist — früher einen Arm= und Beinbruch erlitten, auch in Folge einer Knochenhautentzündung das erste Glied des rechten Daumens verloren hat, solche Arbeiten, welche auf dem Lande die Möglichkeit zum Erwerbe des Unterhalts gewähren, nicht zu leisten im Stande ist, daß sie insbesondere auf solche Hausarbeiten, welche geringe Anstrengung erfordern, vorzugsweise wegen der Schwerbeweglichkeit des linken Arms und des Knochenmangels am rechten Daumen nicht in solchem Umfange ausführen kann, daß sie dadurch ihren Lebensunterhalt zu bestreiten vermöchte. Der Inhalt dieses ärztlichen Zeugnisses wird auch nicht widerlegt, sondern bestätigt durch die eidlichen Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen. Der Bauer S. hat ihr für ihre in der Kartoffelernte 1873 während 1½ Tagen geleistete Arbeit keinen Lohn, sondern nur die Kost gewährt, augenscheinlich weil, wie er weiter sagt, die S. nur wenig arbeiten konnte. Der Bauer D. hat sie zwar gegen 5 Sgr. Lohn und Kost während der Roggen= und während der Kartoffelernte beschäftigt. Er bekundet aber, daß ihre Leistungen unbedeutender seien, wie die der andern Leute und daß er sie gar nicht in Arbeit genommen haben würde, wenn er nicht an Arbeitern Mangel gelitten hätte. Der Bauer A. endlich hat ihr zwar in der Roggenernte während 2¼ Tag täglich 5 Sgr. und die Kost gewährt, sie dann aber entlassen, weil sie das nicht leisten konnte, was er beanspruchte, und hat er sie später auf ihr Angebot zwar wieder beschäftigt, ihr aber für ihre Leistungen nur die Kost gewährt. Ebenso bestätigen die vorgelegten Akten des Landrathsamts die Annahme, daß die ect. S. als jedenfalls nur in unzureichendem Maße erwerbsfähig zu betrachten sei. Allerdings waren es wesentlich polizeiliche Gründe, welche den Landrath veranlaßt haben, durch Verfügung vom 5. Oktober 1872 den Polizeiverwalter Amtmann L. anzuweisen, der durch Exmission aus ihrer früheren Wohnung im Dorfe Damme obdachlos gewordenen und mit ihren Kindern und Effekten auf der Straße liegenden Wittwe S. ein Obdach zu verschaffen, wobei er zugleich bemerkte, daß zu dieser vorläufigen Fürsorge die Gemeinde Damme es §. 28 des Reichsgesetzes verpflichtet sei. In Folge dieser Verfügung ist denn auch die S. vom Amtmann L. in einer Tagelöhner-Wohnung des Gutsbezirks für Rechnung der Gemeinde Damme untergebracht worden, in welcher sie sich noch befindet. Wenn aber auch diese Unterbringung mit Rücksicht auf den Grund, weshalb sie erlassen wurde, ursprünglich den Charakter einer polizeilichen Maßregel gehabt hat, so ergeben die Ver- handlungen doch weiter, daß dem L. für die Wohnung von der S. eine Vergütung niemals ge- währt, noch eine desfalsige Einigung mit ihm von ihr versucht worden ist, daß L. sich vielmehr bereits im Dezember 1872 mit dem Armenverbande der Gemeinde Damme dahin verständigt hat, daß die S. für eine von dem letzteren an ihn zu bezahlende Miethe in jener Wohnung so lange belassen werden solle, bis über die Verpflichtung der Uebernahme der Armenpflege definitiv ent- schieden sein werde. Nachdem die S. sodann in einem Protokolle vom 17. Dezember dess. Is. erklärt hatte, daß sie sich in der gedachten Wohnung nothdürftig mit ihren Kindern ernähre, daß es ihr aber gänzlich an Brennmaterial fehle, gab das Landrathsamt durch Verfügung vom näm- lichen Tage der Gemeinde Damme auf, auch dafür zu sorgen, daß die S. dauernd mit dem nöthigen Bedarf an Torf oder Holz versehen werde, indem dem Landrathoamte die Verhaältnisse der S. genügend bekannt, und sie auch mit Hülfe ihrer Kinder nicht im Stande sei, sich Brenn- material aus eigenen Mitteln anzuschaffen, und auch dieser Auflage hat die Gemeinde entsprochen. Es läßt sich unter solchen Umständen nicht daran zweifeln, daß die S., deren Bestreben sich ihren Bedarf soweit möglich selbst zu erwerben, aus den referirten Zeugenaussagen hervortritt, es in Folge ihrer körperlichen Gebrechlichkeit nicht vermocht hat, soviel zu verdienen, daß sie damit neben der Bestreitung ihrer sonstigen nöthigsten Bedürfnisse für sich und ihren zur Zeit der Klage erst dreizehnjährigen Sohn August, auch die Miethe einer Wohnung und das erforderliche Brennmaterial bezahlen könne; das ihr anfänglich aus polizeilichen Gründen gewährte Obdach hatte, und zwar bereits von dem Zeitpunkte, auf welchen es hier ankommt, die Natur einer öffentlichen Armen- unterstützung angenommen. Der Verklagte hat zwar die Hülfsbedürftigkeit der S. auch noch aus dem Grunde bestritten, weil deren beide ältesten Söhne bereits als Knechte in hohem Lohne ständen und zu ihrer Unter- stützung zunächst verpflichtet seien. Allein das Bestehen einer solchen Verpflichtung, welche nicht erfüllt wird, entbindet den Armenverband des Aufenthaltsortes nicht von seinen aus den Be- stimmungen des öffentlichen Rechts entspringenden Verbindlichkeiten. Derselbe ist auch nur befugt, nicht verpflichtet, nach §. 62 des Reichsgesetzes Ersatz seiner Leistungen von dem zivilrechtlich zur