— 344 — fort, und ist es daher auch nicht als eine neuerdings hervorgetretene Hülfsbedürftigkeit zu be- trachten, wenn nach längerer oder kürzerer Zeit der inzwischen nicht wieder erwerbsfähig gewordene Hülfsbedürftige in der Bettelei, auf welche allein er seit seiner Entlassung angewiesen war, die Mittel zu der ihm nöthigen Subsistenz und Pflege nicht mehr findet. Das erste Erkenntniß mußte daher nach dem Antrage des Klägers abgeändert werden, und Verklagter zur Kostenerstattung und zur Uebernahme verurtheilt werden. Die Anmeldung des Ersatzanspruches bei der vorgesetzten Behörde genügt unter Umständen zur Wa hrung desselben nach §. 34 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870, wenn dem vorläufig unterstützenden Armenverbande ohne sein Verschulden der wirklich ersatzpflichtige Armenverband innerhalb der Anmeldungsfrist nicht bekannt geworden ist, obwohl die rechtzeitige Ermittelung an sich möglich war. So entschieden in Sachen Stettin wider Gutsbezirk Groß-Carzenburg am 24. April 1875. Die                                               Gründe des Erkenntnisses lauten im Auszuge: Das erstinstanzliche Erkenntniß hat den Kläger mit seinem Anspruche auf Ersatz des Auf- wandes für Verpflegung und Beerdigung des Hausknechts R. auf Grund der Bestimmung in §. 34 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 abgewiesen, obwohl Kläger denselben binnen sechs Monaten nach Beginn der Unterstützung bei seiner vorgesetzten Behörde, der Königlichen Regierung zu Stettin, angemeldet hat, indem es annimmt, daß der fürsorgepflichtige Armenverband leicht zu ermitteln gewesen sei und daß in solchem Falle die Anmeldung bei der vorgesetzten Behörde recht- licher Wirksamkeit entbehre. Der Berufung des Klägers mußte stattgegeben werden. Zu der Rezeptionsverhandlung vom 12. Dezember 1874 war von p. R. angegeben worden, daß sein Geburtsort das Dorf Groß-Carzenburg sei und daß seine verstorbenen Eltern stets in Carzenburg gewohnt hätten. Daraus war zu schließen, daß der einundzwanzigjährige R. den Unterstützungswohnsitz im Dorfe Groß-Carzenburg habe, und da dieser Voraussetzung auch von dem dortigen Gemeindevorstande auf Anmeldung des Pflegefalles nicht widersprochen wurde, so hatte Kläger keinen Anlaß, weitere Nachforschungen anzustellen. Später erst, im Laufe des gegen die Gemeinde Groß-Carzenburg angestrengten Prozesses, hat sich herausgestellt, daß die Eltern des p. R. im Gutsbezirk Groß-Carzenburg, welcher einen eigenen Armenverband bildet, nicht im Dorfe, gewohnt hatten und dort ihren auf den Sohn übergegangenen Unterstützungswohnsitz be- saßen. Mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß die Gemeinde Groß-Carzenburg nicht der wirklich fürsorgepflichtige Armenverband sei, hat Kläger nicht bloß der ersteren, sondern auch seiner vor- gesetzten Behörde den Pflegefall angemeldet, und hierdurch den Ersatzanspruch dem Verklagten gegenüber gewahrt. Denn da der wirklich fürsorgepflichtige Armenverband, der jetzige Verklagte, Fr nach Ablauf der sechsmonatlichen Anmeldungsfrist zur Kenntniß des Klägers gekommen ist, ohne daß ihn ein Verschulden hierbei trifft, so liegt die Voraussetzung vor, unter welcher nach §. 34 al. 2 des Reichsgesetzes die Anmeldung bei der vorgesetzten Behörde nachgelassen ist.