— 205 — 6. Heimath-Wesen. Der wegen Unterschlagung verfolgte landarme Arbeiter B. wurde, nachdem er sich freiwillig bei der Poli— zeibehörde zu Mainz gestellt hatte, nach Hannover transportirt und auf Grund eines Haftbefehls des dorti- gen Polizeirichters als Untersuchungsgefangener in das Zellengefängniß daselbst aufgenommen. Einige Tage nach der Einlieferung ward er wegen Erkrankung an den Blattern aus der Untersuchungshaft entlassen und der Polizeidirektion zur Verfügung gestellt. Diese übergab ihn dem städtischen Blatternhause, wo er starb. Der Ortsarmenverband Hannover klagte zunächst die Kur- und Beerdigungskosten von dem Landarmenver— bande Hannover ein, wurde aber durch gleichlautende Erkenntnisse der Hannoverschen Deputation für das Heimathwesen und des Bundesamts abgewiesen, weil der B. nicht aus dem Bezirk dieses Landarmenverban= des in die Anstalt eingeliefert worden sei. Als demnächst der Ortsarmenverband Hannover gegen den Land- armenverband des Kreises Mainz klagte, erkannte das Hessische Verwaltungsgericht erster Instanz (der Pro- vinzialausschuß der Provinz Rheinhessen) gleichfalls auf Abweisung. Das Bundesamt hat indessen durch Erkenntniß vom 4. März 1876 diese Entscheidung abgeändert und den Landarmenverband Mainz verurtheilt. Die Gründe lauten: in Erwägung, daß der landarme Arbeiter Friedrich B., welcher wegen einer zu Hannover begangenen Unterschlagung flüchtig geworden war, von Mainz aus, wo er sich der Polizeibehörde freiwillig gestellt hatte, als Gefangener nach Hannover transportirt und hier im Zellen- gefängniß untergebracht wurde. daß der B. in dem letzteren an den Blattern erkrankte, und daß er deshalb, wie die gericht- lichen Akten unzweideutig ergeben, aus der Untersuchungshaft entlassen und der Polizei- behörde in Hannover zur Disposition gestellt wurde, daß in Folge dieses Verfahrens für den mittellosen B. die öffentliche Armenpflege eintreten mußte, so daß dem Ortsarmenverbande Hannover für die im dortigen Blatternhause be- wirkte Verpflegung und für demnächstige Beerdigung des B. Kosten entstanden sind, welche er nunmehr gegen den Landarmenverband des Kreises Mainz auf Grund der Bestimmung in §. 30 unter b. des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 eingeklagt hat, wonach zur Erstattung der durch die Unterstützung eines Landarmen erwachsenen Kosten, falls der Unterstützte in hülfsbedürftigem Zustande aus einer Stras-, Kranken-, Bewahr- oder Heilanstalt entlassen wurde, derjenige Landarmenverband verpflichtet ist, aus welchem seine Einlieferung in die Anstalt erfolgt ist, in Erwägung, - daß der erste Richter die Klage des Ortsarmenverbandes Hannover deshalb zurückgewiesen hat, weil der B. im Bezirke des Landarmenverbandes Hannover hülfsbedürftig geworden und weil er in das Blatternhaus zu Hannover in bereits hülfsbedürftigem Zustande und zwar aus dem eben gedachten hannoverschen Landarmenverbands-Bezirke eingeliefert worden sei, in Erwägung jedoch, . daß für die Frage: welcher Landarmenverband als der verpflichtete zu betrachten? die Sachlage beim Eintritte der Hülfsbedürftigkeit entscheidend ist — daß die Hülfs- bedürftigkeit des B. und, dem entsprechend die Verpflichtung des Ortsarmenverbandes Hannover zur Uebernahme der vorläufigen Fürsorge für denselben unzweifelhaft im Augen- blicke seiner Entlassung aus der Strafanstalt ihre Entstehung gefunden hatte, — daß in dem nämlichen Augenblicke also auch für den Landarmenverband des Kreises Mainz die Verpflichtung zur Kostenerstattung auf Grund des allegirten §. 30.b. entstanden war, — daß nicht abzusehen ist, wie diese letztgedachte Verpflichtung dadurch beseitigt werden konnte, daß der Ortsarmenverband Hannover die vorläufige Verpflegung des B. in einer anderen Anstalt, dem Blatternhause, bewirkte, in welche der damals bereits hülfsbedürftige B. selbstverständlich auch nur in hülfsbedürftigem Zustande gebracht werden konnte — " daß es auch, was die Anwendbarkeit des — generell disponirenden — §. 30. b. betrifft, keinen